Swiss Green Eco­no­my Sym­po­sium: Mi­tei­nan­der et­was bewe­gen

Bereits zum elften Mal fand Anfang September das Swiss Green Economy Symposium in Winterthur statt. Die Themen und Gäste waren wie immer hochkarätig, hinterliessen aber teilweise Unklarheiten betreffend Relevanz und Motive.

Data di pubblicazione
03-10-2023

Wie schon in den vergangenen Jahren bot das Swiss Green Economy Symposium eine wichtige Plattform, um Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik miteinander zu vernetzen. Letztere waren diesmal in Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen vom Oktober explizit angesprochen, als die beiden Moderierenden das Motto der diesjährigen Durchführung erläuterten: «Gemeinsam mehr Wirkung erzeugen». Sie bezogen sich auf die zunehmende Polarisierung in der Politik und die Notwendigkeit einer nachhaltigkeitsorientierten Bewegung in der kommenden Legislaturperiode.

Ins gleiche Horn blies Bundesrat und UVEK-Vorsteher Albert Rösti in seinem Grusswort, als er die Anwesenden aufforderte, die Erfolgsgeschichte der Schweiz «mit Hirn, Herz und Hand» weiterzuschreiben und über Partei- und Technologiegrenzen hinwegzudenken.

Flaute in der Energiewende

Die erste Session der Veranstaltung griff diese Schlagworte direkt auf und Christoph Brand, CEO der Axpo Gruppe, ordnete sie in den Kontext der unabdingbaren Energiewende ein. Die gute Nachricht: Die Schweiz produziert aktuell über das Jahr in der Summe etwa ebenso viel Strom, wie sie verbraucht. Die schlechte Nachricht: Im Winter ist unser Land auf Stromimporte angewiesen und mit dem prognostizierten Anstieg des Strombedarfs sowie dem Rückbau der Kernkraft werden hierzulande bis ins Jahr 2050 jährlich rund 50 TWh (etwa ein Fünftel des heutigen Verbrauchs) an elektrischer Energie fehlen. Gleichzeitig erklärte Brand die Schweizer Windenergie für klinisch tot. Tatsächlich produziert die Schweiz aktuell nur gut 6 % ihres Stroms aus Wind und Photovoltaikanlagen (in der EU sind es fast 23 %), wobei die Windenergie nur einen marginalen Anteil beisteuert.

Verantwortlich dafür macht Brand die vielfältigen Rechtsmittel bei Bewilligungsverfahren: Praktisch jedes Schweizer Windparkprojekt sei bislang vor dem Bundesgericht gelandet. Lösungen sieht er – unter entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen – dennoch im Ausbau der erneuerbaren Energien; zum Beispiel in grossen (teils auch hochalpinen) Photovoltaikanlagen, einem kleinen Teil an steuerbaren Gas- oder Kernkraftwerken und der Integration der Schweiz in den internationalen Strommarkt.

In der anschliessenden Diskussion mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung wurden die wesentlichen Punkte nochmals im Plenum verhandelt: «Solarexpress» zum Ausbau der hochalpinen Photovoltaikanlagen, Beschleunigungsvorlage zur Steigerung der Effizienz bei Bewilligungsverfahren, Überwindung des Legislaturdenkens bei Investitionen in erneuerbare Energien, Notwendigkeit von Kern- und sonstigen Kraftwerken sowie die Bedeutung von Technologieoffenheit.

Erfrischend smart war ein abschliessender Diskussionsbeitrag von Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung von economiesuisse, in dem er zum Konsens aufrief und einen Ausweg aus der polarisierenden Politik präsentierte: Wenn jede Partei nur eine ihrer zahlreichen festgefahrenen Positionen in der Energiepolitik aufgeben würde, stünde vielen technisch machbaren Lösungen wohl kaum mehr etwas im Weg.

Drei Buchstaben erwecken Aufmerksamkeit

Die folgenden Impulsreferate und Podien sowie die anschliessenden Innovationsforen fielen – zumindest am zweiten Veranstaltungstag – punkto inhaltlicher Relevanz und Qualität der Beiträge gegenüber dem ersten Block deutlich ab und sorgten nur punktuell für Aufmerksamkeit. So schlichen sich im Verlauf des Vormittags und in einzelnen Innovationsforen am Nachmittag immer wieder die drei Buchstaben ESG ein. Was als selbstdeklarierte Erhebung der unternehmerischen Nachhaltigkeit anfing – die Buchstaben stehen für «Environment, Social, Governance», also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – entwickelt sich gerade zunehmend in Richtung Standard.

Zumindest in der EU wird die Pflicht zur Erstellung eines ESG-Reports ab 2026 alle Unternehmen am Kapitalmarkt sowie ihre Zulieferer betreffen; indirekt also auch Schweizer KMU, die an Unternehmen in der EU liefern. Im Austausch wurde klar: Die einen hatten noch nie von ESG gehört, für die anderen gehörte es längst zum Tagesgeschäft. Es ist ein Thema, das uns alle noch beschäftigen wird – die grossen Wissenslücken wären an künftigen Tagungen und Symposien zu überbrücken.

Nicht jede technische Lösung ist zielführend

Eines der Innovationsforen widmete sich dem Thema «Energie und Gebäude: Innovative Lösungen schneller etablieren». Ausgangspunkt war die Ansage, dass für Netto-Null bei gleichzeitiger Abdeckung des Spitzenbedarfs einerseits die erneuerbaren Energien auszubauen sind, andererseits aber auch effiziente Nutzungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen.

Nach dieser kurzen Einleitung beleuchteten mehrere Inputs die zentrale Bedeutung der Betriebsphase eines Gebäudes aus ökonomischer Perspektive. Rund 80 % der Investitionen und Kosten fallen nämlich während der Betriebszeit eines Gebäudes an und nicht bei der Erstellung oder beim Rückbau. Positive Randnotiz: Die Betriebskosten sind geringer, je nachhaltiger das Gebäude ist. Leider fehlte entlang der vielen Kurzinputs eine einordnende Überlagerung der ökonomischen mit der ökologischen Perspektive, denn was für die Kosten gilt, lässt sich nicht eins zu eins auf die Nachhaltigkeit und die verursachten Treibhausgasemissionen übertragen. So fallen etwa bei alten Gebäuden, die schlecht isoliert sind und fossil geheizt werden, vor allem die Emissionen im Betrieb ins Gewicht, während bei Neubauten, für die im Betrieb längst Grenzwerte gelten, die Minimierung der indirekten Umweltauswirkungen bei der Erstellung beachtet werden sollte.

Es folgten mehrere Präsentationen zu technischen Lösungsansätzen, die dabei helfen, den Energieverbrauch zu optimieren; zum Beispiel Echtzeit-Datenanalysen, Energieassistenten, smart vernetzte Waschmaschinen und stromproduzierende Gründächer. Zwei Kernaussagen wiederholten sich: Die Analyse allein reicht nicht, man muss daraus ein Handeln ableiten. Und: Das Potenzial der Nutzerinnen und Nutzer ist nicht zu unterschätzen. So hilft etwa der Energieassistent des Energieunternehmens EKZ seinen Kundinnen und Kunden dabei, das eigene Nutzungsverhalten zu kennen und zu optimieren. Dank Smart Meter können individuelle Reports, Vergleiche auf Wochen- und Monatsbasis und individuell angepasste Empfehlungen erstellt werden.

Obwohl die Inputs durchaus anregende Anwendungsmöglichkeiten vorstellten, fehlte diesem Innovationsforum ein übergeordneter Rahmen, der die Einzelbeispiele in einen grösseren Kontext setzte. Welchen Beitrag können etwa Smart Meter zum Netto-Null-Ziel leisten? Oder: Sind Wäschetrockner überhaupt Geräte, die wir im Jahr 2050 in jeder Wohnung gehobenen Standards verbauen sollten?

Smart geht auch ohne Digitalisierung

Vergleichbar flach rollte der Ball auch in anderen Innovationsforen: Beim Thema «Nachhaltige smarte Städte und Gemeinden: Chancen und Potenziale der Digitalisierung» bot die Stadt Winterthur zwar einen interessanten Einblick in ihre Smart-City-Projekte, der Rest glich jedoch eher einer Produktepräsentation der Programmpartner. So stellte etwa ein Vertreter eines Planungsbüros Lösungsansätze zur Eigenverbrauchsoptimierung in Smart Cities mittels Kombination von Photovoltaikanlagen und bidirektional ladefähigen Elektroautos vor. Dass nur eine gute Handvoll Fahrzeuge mit entsprechender Vorrichtung am Markt erhältlich ist, liess er aussen vor. Andere Firmenvertreter präsentierten dezentrale Wasserbehandlungsanlagen, die im indischen Bangalore wegen der dortigen Überlastung der städtischen Werke zum Einsatz kommen. Der Zusammenhang zum Forumsthema blieb unklar.

Immerhin kam so allmählich die Frage nach der Definition einer «smarten Stadt» auf und lieferte damit genügend Gesprächsstoff für das Schlusspanel. Die Übereinstimmung lautete wie folgt: Smartness hat nicht primär mit Digitalisierung zu tun. Vielmehr geht es um Resilienz und niederschwellige, ressourceneffiziente und inklusive Massnahmen, um die Lebensqualität in den Städten zu erhalten oder zu erhöhen. Das scheint prima vista eine sinnvolle Formulierung, die auch bestens zu den einzelnen Projekten aus dem Smart-City-Programm der Stadt Winterthur passt.