An­sä­tze für ein pro­fes­sio­nel­les Kon­flikt­ma­na­ge­ment

Konflikte im Bauwesen lassen sich nicht immer vermeiden und haben mittlerweile beinahe Tradition. Eine Veranstaltung der Fachgruppe Baumediation beleuchtete sie aus unterschiedlichen Perspektiven und präsentierte verschiedene Möglichkeiten, mit ihnen umzugehen.

Data di pubblicazione
09-08-2024

Normalerweise verheisst es nichts Gutes, wenn sich Juristinnen zusammen mit Planenden, Bauherrschaften und Bauunternehmern in einen Raum begeben. In diesem konkreten Fall wurde aber kein Klischee bedient, sondern offen über Konfliktpotenziale entlang von Planungs- und Bauprozessen sowie entsprechende Lösungsmöglichkeiten gesprochen.

Eingeladen zur Veranstaltung hat die Fachgruppe Baumediation SDM, ein Mitglied des Schweizerischen Dachverbands Mediation, der sich seit seiner Gründung im Jahr 2000 für die nachhaltige Stärkung von Mediation und mediativem Handeln in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik einsetzt. 

Die Fachgruppe ihrerseits besteht aus Baufachleuten und Juristen, die über langjährige Erfahrung im Umgang mit und in der Lösung von Konflikten verfügen. Dieser Erfahrungsschatz floss in die einzelnen Referate und das Podiumsgespräch einer eintägigen Veranstaltung mit rund 100 Teilnehmenden im Berner Kursaal unter dem Motto «Angehen, Vermeiden, Lenken» ein.

Pro Tag über 30 neue Einzelkonflikte im Bauwesen

Dem professionellen Konfliktmanagement im Planungs- und Bauwesen kommt eine immer grössere Bedeutung zu – kaum mehr vernimmt man von Bauprojekten, bei denen nicht über Kosten, Termine oder Qualität gestritten wird. Jüngst befasste sich eine Gruppe bestehend aus einem Bauingenieur, einem Bauherrn und zwei Bauunternehmern mit dem Konfliktpotenzial der Schweizer Bauwirtschaft.

Über Statistiken und eigene Erfahrungswerte kamen sie zum Schluss, dass in unserer Branche pro Jahr über 12'000 Einzelkonflikte ausgetragen und dadurch rund 600'000 Personenstunden in einem Gegenwert von über 90 Mio. Fr. absorbiert werden. Vor diesem Hintergrund drängen sich zwei Fragen auf: Erstens: Wie lassen sich solche Konflikte vermeiden? Und zweitens: Wie geht man mit nicht vermeidbaren Konflikten um?

Auf die zweite Frage gibt es mehrere Antworten. Die einfachste lautet wohl: Die involvierten Parteien lösen den Konflikt untereinander. Doch oft gelingt es den direkt Beteiligten nicht, unter sich eine einvernehmliche Lösung zu finden. Im besten Fall hilft dann eine vermittelnde und unbefangene Drittpartei, im schlechtesten Fall landet man in einem Rechtsstreit vor Gericht. 

Die Mitglieder der Fachgruppe Baumediation setzen sich dafür ein, Konflikte im Bauwesen im Vorhinein zu vermeiden oder diese mittels Mediation beziehungsweise Schlichtung – beides Methoden ausserhalb des Rechtsstreits – zu lösen. 

Kommunikation und klare Spielregeln

Der Hauptfokus der jüngsten Veranstaltung in Bern lag auf der Vermeidung von und dem Umgang mit Konflikten. Das Spektrum der potenziell Konfliktbeteiligten im Bauwesen spiegelte sich in der Besetzung der Referate wider: Vom Bauherrenvertreter über den Bauleiter, die Bauingenieurin, den Totalunternehmer bis zum Fach- und Rechtsanwalt waren zahlreiche Perspektiven vertreten. So unterschiedlich diese Rollen und die damit verbundenen Aufgaben auch sind – im Kern der Sache waren sich viele einig.

Zunächst einmal ist da die Gewissheit, dass Streitigkeiten grundsätzlich nicht vermeidbar sind, diese aber die Effizienz in unserer Branche wesentlich beeinträchtigen. Umso wichtiger ist es, sich aktiv an der Lösungsfindung zu beteiligen, Energie und Kreativität in diese zu investieren und sich Handlungsspielräume offenzuhalten. 

In manchen Fällen kann es sich lohnen, die Konflikte nach einem definierten Eskalationsprozess aus dem Projektgeschäft herauszutrennen. Bei Streitsachen stehen in der Regel verschiedene Aspekte im Raum; hauptsächlich technische und juristische. Oftmals sind Streitigkeiten auf einseitige Vertragsklauseln – egal, ob Bedingungen zum Vergabeverfahren oder die Formulierung von praktisch nicht umsetzbaren Einzelbestimmungen in der Vertragsgestaltung – zurückzuführen. Wie ein Referat zeigte, könnten hierbei neue Formen der Zusammenarbeit wie Projektallianzen Hand bieten.

Weiter wurde von vielen Referierenden und Veranstaltungsteilnehmenden eine offene und sachbezogene Kommunikation als wichtigster Erfolgsfaktor für eine konfliktfreie Zusammenarbeit und den konstruktiven Umgang mit Konfliktsituationen genannt. Eigentlich wenig überraschend, denn eine gestörte Kommunikation führt unweigerlich zu Konflikten. 

Gleiches gilt für eine fehlende gegenseitige Wertschätzung. Grundlage zur Vermeidung sind beispielsweise klar definierte Kommunikationswege, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten; kurzum Spielregeln, die verbindlich in einem Projektmanagementdokument wie dem Projekthandbuch verankert sind. 

Auch plädierte ein Referent dafür, in der Kommunikation zwischen den Beteiligten wieder vermehrt den direkten, persönlichen Kontakt zu pflegen und das Telefonat als Kommunikationsmittel zu stärken. 

Möglichkeiten zur Konfliktlösung und -prävention

Auf dem abschliessenden Podium der Veranstaltung zeigte sich noch einmal, welchen Beitrag die Mediation und Schlichtung in Konfliktsituationen leisten können. Auch wenn zuvor ein Jurist in seinem Referat betonte, dass Rechtsanwälte gemäss ihrem Berufsethos eindeutig Vermittler für Lösungen und nicht für Streit sind, lassen sich Streitigkeiten nach der Erfahrung der Teilnehmenden mittels Schlichtung oder Mediation in wesentlich kürzerem Zeitraum beilegen als mit einem Rechtsstreit. 

Konkret vermögen mediative Techniken Konflikte in wenigen Monaten zu bereinigen, während Rechtsstreite sich über Jahre ziehen können. Auch punkto Prävention wussten die eingeladenen Experten guten Rat. So können etwa gemeinsame Projektreviews im Planungsteam bei Phasenabschluss dabei helfen, zurückliegende Konfliktsituationen zu reflektieren und möglicherweise bevorstehende zu antizipieren. 

Und manchmal wirken auch simple Methoden wie ein planungsteamübergreifendes Feierabendbier, um den Gemeinschaftssinn im Sinne der Sache zu stärken. Zum Wohl auf weniger Konflikte im Bauwesen!

Weitere Informationen zur Fachgruppe Baumediation unter baumediation-sdm.ch

 

Programm und Präsentationen zur Veranstaltung hier zum Download 
(Kennwort: BauMedTagung20240613).

 

 

 

Articoli correlati