Der An­sporn

Beton- und Mischabbruch sind eine wertvolle Quelle für die Wiederverwendung im Recycling­beton. In der Stadt Zürich setzt die Fachstelle für Bauingenieurwesen des Amts für Hochbauten verbindliche Standards und übt Druck aus. Es braucht flächendeckend mehr Wissen und Kompetenz.

Data di pubblicazione
12-11-2024
Armin Grieder
dipl. Bauing. ETH/SIA, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich

Im Jahr 2004 entstand das Schulhaus «Im Birch» als Pilotprojekt der Stadt Zürich. Es wurde fast ausschliesslich Recycling­beton (RC-Beton) verwendet – mit 45% Betongranulat, 46% Gesteinskörnung aus der Bodenwäsche und nur 9% Primär­material.1

Seitdem hat sich die Nutzung von RC-Beton in der Schweiz stark weiterentwickelt und ist heute im Hochbau etabliert. Die Marktverfügbarkeit hat sich verbessert, und die Betontechnologie ermöglicht standardisierte Rezepturen – inklusive selbstverdichtendem Beton mit RC-Anteil –, was die Akzeptanz von RC-Beton kontinuierlich erhöht hat. Durch Versuche und gesammelte Erfahrungen konnte der Zementgehalt im RC-Beton verringert werden, sodass er heute in der Regel nicht von Primärbeton abweicht. Der Elastizitätsmodul konnte erhöht werden, und die Betonwerke geben ihn an, was Ingenieuren die Nutzung erleichtert. 

Noch vor wenigen Jahren musste das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich bei Bauingenieuren, Architektinnen und Baumeistern Überzeugungsarbeit leisten – heute sind negative Rückmeldungen zur Verwendung von RC-Beton seltener geworden und kommen, wenn überhaupt, von Baumeistern. Dennoch hat sich die Verarbeitbarkeit von RC-Beton auf der Baustelle stark verbessert. Auch die Normen, insbesondere die SIA 2030 Beton mit rezyclierten Gesteinskörnungen, wurden präzisiert und bieten nun klare und eindeutige Anwendungsregeln. 

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In vielen Bauprojekten wird aktuell bis zu 100% RC-Beton verwendet, oft auch mit Mischgranulat. Der Einsatzbereich wurde breiter, sodass heute (fast) sämtliche Betonbauteile, von Pfählen bis teilweise auch vorfabrizierten Elementen, kostenneutral beziehungsweise sogar mit geringen wirtschaftlichen Vorteilen beim RC-Beton mit Mischgranulat daraus hergestellt werden.

Bauherrschaften und Planende haben das Poten­zial dieses Baustoffs erkannt und nutzen seine Vorteile, um nachhaltigere und ressourcenschonende Bauweisen zu realisieren. Die anfänglichen Bedenken bezüglich der Materialeigenschaften und der Dauerhaftigkeit werden zunehmend als weniger gravierend eingeschätzt. 

Stattdessen stehen die wesentlichen Vorteile wie die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und die Minimierung von Abfall im Vordergrund. Es bleibt aber wichtig, die Herkunft des Materials und die verwendeten Techniken zu berücksichtigen, um tatsächlich nachhaltig zu bauen.

Das Neubauvolumen ist gross …

In der Schweiz werden jährlich 56.1 Mio. t Neumaterial verbaut. Davon macht Beton mit 39.8 Mio. t den grössten Anteil aus und ist somit das bedeutendste Baumaterial.2 Der Hauptanteil der für die Betonherstellung erforderlichen primären Gesteinskörnung stammt aus regio­naler Produktion, wobei grosse Unterschiede in den Eigenschaften bestehen.

Bei Beton aus primären Rohstoffen werden neben Zement, Wasser und Zusatzmitteln die Zuschlagsstoffe Kies und Sand aus Kiesgruben gewonnen, die sich oft über grosse Flächen erstrecken und sich häufig in genutzten Kulturräumen befinden, seien das landwirtschaftlich genutzte Flächen, Wälder oder bebaubares Land. Selten liegen sie in ungenutzten Gebieten. Denn die nutzbaren Kiesvorkommen – als Kiesreserven auch für kommende Generationen wichtig – sind hauptsächlich durch Gletscher- und Flussablagerungen entstanden und befinden sich oft unter tragfähigem Baugrund, der eine stabile Basis für Bauprojekte darstellt. 

Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Interessenkonflikt: Die Nutzung der Oberfläche einer Landschaft als Bau- oder Landwirtschaftsland steht der Gewinnung von Rohstoffen gegenüber – soweit dies aufgrund des Gewässerschutzes, insbesondere des Grundwassers, denn möglich ist. Die Bewilligung neuer Kiesgruben ist daher ein politisch aufwendiger Prozess mit jeweils ungewissem Ausgang. 

Der Zugang zu diesen primären Rohstoffen ist durch verschiedene Faktoren wie gesetzliche Regu­lierungen, Umweltschutzauflagen und begrenzte Verfügbarkeit geeigneter Flächen eingeschränkt. Zudem führen Kiesgruben zu teilweise langen temporären Einschnitten in der Landschaft, bevor sie in die gemäss einem Gestaltungsplan vorgesehene Endgestaltung rückgeführt werden. Es ist daher sinnvoll, Kies aus rückgebauten Betonstrukturen zu rezyklieren.

… der Abbruchberg ebenso

Dem verbauten Neumaterial stehen 57 Mio. t Aushub- und Ausbruchmaterialien gegenüber – von insgesamt etwa 80 bis 90 Mio. t jährlich in der Schweiz anfallendem Abfall. Sie entstehen bei Aushub- und Tiefbauarbeiten und bestehen hauptsächlich aus Erdmaterialien und Felsen.3 Einen weiteren signifikanten Anteil von 20 % bilden die rund 16 Mio. t Rückbaumaterialien, die jedes Jahr bei Rückbauarbeiten anfallen.2 Von diesen werden etwa 12.2 Mio. t als Sekundärbaustoffe wiederverwendet. Der Rest wird verbrannt oder auf Deponien entsorgt. 

Innerhalb der wiederverwendeten Sekundärbaustoffe entfallen rund 7.1 Mio. t (ca. 60 %) auf Beton- (5.59 Mio. t) und Mischabbruch (1.52 Mio. t), wobei der grössere Anteil – der Betonabbruch – hauptsächlich beim Rückbau von reinen Stahlbetonbauten entsteht; macht das Tragwerk doch den grössten Masseanteil eines Hochbaus oder eines Infrastrukturbauwerks aus. Mischabbruch hingegen entsteht beim Rückbau gemischter Konstruktionen, wie Hourdisdecken, die sich nur schwer in ihre einzelnen Materialien zerlegen lassen. 

Sortenrein rückgeführter Betonabbruch ist ein hochwertiger Baustoff, der zu etwa 85 % aus den Zuschlagsstoffen Kies und Sand besteht – die restlichen 15 % sind erhärteter Zement. Nach der Aufbereitung – Brechen, Reinigen, Sortieren – kann dieses Material, oder Teile davon, für die Herstellung von neuem Beton verwendet werden, meist ohne Qualitätsverlust. Andernfalls würde dieser wertvolle Rohstoff auf Inertstoff-Depo­nien entsorgt werden. Solcher Deponieraum ist rar, da er durch die zunehmenden Mengen an belasteten Bau- und Rückbaumaterialien stets stärker beansprucht wird. 

Wissen schafft Kompetenz

Die Hauptgründe für die Verwendung von RC-Beton sind also einerseits die begrenzte Verfügbarkeit von Kies und Sand, insbesondere im Hinblick auf die Bewilligungsfähigkeit neuer Kiesgruben, sowie die Schonung des knappen Deponieraums für nicht wiederverwendbare Materialien wie etwa belasteter Aushub. Andererseits schont rezyklierter Beton Landschaft und Kulturräume im Einklang mit den relevanten Gesetzen und Verordnungen wie der Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen VVEA. Obwohl die Vorteile für Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft (Abfallreduktion) offensichtlich sind, gibt es immer noch Hemmschwellen, die den breiteren Einsatz von RC-Beton – sowohl mit Betongranulat C als auch mit Mischgranulat M – behindern. 

Bei den statisch relevanten Eigenschaften müssen bei RC-Beton grundsätzlich keine Einbussen mehr gemacht werden – zumindest nicht in jedem Fall. Reiner Betonrückbau, insbesondere in Form von sortenreinem Betongranulat, kann fast uneingeschränkt im Verhältnis 1:1 als Ersatz für natürlichen Kies-Sand verwendet werden. Bei der Verwendung von Mischgranulat ist jedoch besondere Aufmerksamkeit auf die Festbetoneigenschaften zu legen. Es enthält neben Beton auch Ziegel, Backsteine und Keramik und weist eine reduzierte Festigkeit und ein erhöhtes Saugvermögen auf. 

Daher ist RC-M nur für Betonsorten A und B oder bei hohem Anteil an Mischgranulat sogar nur für Sorte 0 zugelassen. Höhere Anteile an Misch­granulat sind für die Betonsorten A und B nur nach Voruntersuchungen zulässig. Insofern stellt RC-M in gewisser Hinsicht ein Downcycling dar. Denn aus rückgebautem RC-M kann kein hochwertiger RC-C hergestellt werden, sondern entsprechend dem Ausgangsmaterial nur wieder RC-M. Dennoch weist RC-M ein hohes Potenzial für «Verbaubarkeit» auf, denn für viele Anwendungen im Hochbau genügen die Eigenschaften von RC-M vollauf.

Keine direkte Reduktion von Emissionen

Keine Vorteile bietet RC-Beton bezüglich der Treibhausgasemissionen, wird doch für die Herstellung neuer Zement als Bindemittel beigemischt. Bei der Produk­tion mit modernen Mischanlagen genügen heute die für die jeweilige Betonsorte normativ definierten Zementmindestmengen. Diesbezüglich sind RC-Beton und Beton aus Primärrohstoffen gleichwertig. Da Zement neben dem Bewehrungsstahl der Hauptverur­sacher für Treibhausgasemissionen beim Betonbau ist, trägt RC-Beton leider nicht zur Reduktion dieser Emissionen bei. Das eingesetzte Betongranulat lässt sich zumindest mittels CO²-Begasung vorcarbonatisieren. 

Damit können pro Kubikmeter Beton ca. 10 kg CO² dauerhaft in Betonbauteilen eingespeichert werden – das ist durchaus ein kleiner Vorteil hinsichtlich CO²-Emissionen. Noch grössere CO²-Einsparungen können durch die Wahl eines CO²-­optimierten Zements erreicht werden – sowohl bei RC-­Beton als auch bei Beton aus primären Rohstoffen.

Fokus auf die Vorteile

Fachwissen hilft, um den Einsatz von RC-Beton trotz der – nicht immer projektprägenden – Nachteile vorbehaltlos zu fördern. In der Stadt Zürich setzt die Fachstelle für Bauingenieurwesen des Amts für Hochbauten verbindliche Standards bei den Ausschreibungen. Sie erlässt Vorschriften, schafft Anreize, klärt auf, führt strengere Kontrollen durch, arbeitet eng mit der Bauwirtschaft zusammen und verlangt seit über 20 Jahren konsequent RC-Beton – RC-C und, wo möglich, auch RC-M. 

Diese Arbeit schafft flächendeckend mehr Kompetenz und verhindert, dass ausführende Bauunternehmungen oder Ingenieurbüros schlechte Erfahrungen machen und den Einsatz von RC-Beton vermeiden. Denn RC-Beton kann viel. Wird die Kreislaufwirtschaft weitergedacht und man stellt sich die Frage nach dem «Re-Recycling», also der mehrfachen Verwendung eines Rohstoffs im Stoffkreislauf, so steht der mehrfachen Wiederverwendung von RC-C nichts im Weg. Ausserdem kann RC-M weit mehr als nur ein direktes Downcycling: RC-M eignet sich für eine kaskadenartige Nutzung von Rückbaumaterialien. 

Ein Vergleich mit der Holzwirtschaft zeigt, wie Kaskadennutzung effektiv umgesetzt werden kann: Holz wird in verschiedenen Qualitätsstufen genutzt, beginnend bei hochwertigen Möbeln über Holzwerkstoffe bis hin zu Biomasse. Eine ähnliche kaskadierende Nutzung könnte darin bestehen, Betone zunächst in hoch belastbaren Anwendungen einzusetzen, dann in weniger anspruchsvollen Bereichen und schliesslich in nicht tragenden Komponenten oder als Füllung. Dies würde die Lebensdauer dieses Baustoffs maximieren, die Not­wendigkeit neuer Rohstoffe reduzieren und die Abfallmenge weiter verringern. 

Um eine solche mehrstufige Nutzung von Beton zu ermöglichen, sind fortschrittliche Technologien zur sortenreinen Aufbereitung und Reinigung von Rückbaumaterialien entscheidend. Insbesondere automatisierte Verfahren, die gemischte Rückbaustoffe effizient trennen, können das Risiko des Downcyclings erheblich verringern. Viele Baustoffhersteller arbeiten an innovativen Lösungen. Durch die Kombination fortschrittlicher Recycling- und Aufbereitungstechnologien, gezielter politischer Massnahmen und zunehmenden gesellschaftlichen Bewusstseins kann die Nutzung von Rückbaumaterialien in der Bauindustrie weiter optimiert werden. 

Um die gezielte Verwendung des richtigen Re­cyc­lingmaterials an der richtigen Stelle zu fördern, übt die Fachstelle für Bauingenieurwesen des Amts für Hochbauten in der Stadt Zürich weiterhin Druck aus, damit das immer noch erhebliche Verbesserungs- und Optimierungspotenzial weiter ausgeschöpft werden kann.

Anmerkungen

1 TEC21 24/2010 «Recycling-Beton», 11.6.2010.

2 Empa-Studie MatCH 2016, im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU.

3 Website BAFU.

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