Kli­ma­p­fad zeigt den Weg

Bauen ganz ohne Treibhausgasemissionen? Die Fachwelt hält dies für unmöglich. Am nächsten kommt dieser Ambition die neue SIA-Norm 390/1. Sie regelt, wie Best-Practice-Lösungen für das klimagerechte Bauen gestaltet und berechnet werden sollen.

Data di pubblicazione
16-04-2025

Seit dem 1. Februar 2025 ist es offiziell: Das SIA-Normenwerk widmet sich ausdrücklich auch dem Klimaschutz. Die Norm 390/1 Klimapfad – Treibhausgasbilanz über den Lebenszyklus von Gebäuden steht für Bauherrschaften und Planende bereit, die ein Gebäude mit kleinstmöglichem CO2-Fussabdruck realisieren wollen. Sie liefert die methodischen Grundlagen zur Entwicklung und Planung der ambitionierten Idee und definiert Zielwerte für den CO2-Ausstoss bei Erstellung, Betrieb und induzierter Mobilität. 

Die nun veröffentlichte Dokumentation löst das bisherige Merkblatt zum SIA-Effizienzpfad Energie ab. Das Vorgehen ändert sich kaum. Vom Effizienzpfad übernommen wurden die Methoden und Datengrundlagen für eine CO2-Bilanzierung, wobei die spezifischen Emissionslimiten eine Verschärfung erfuhren. Eine Bewertung des Bedarfs an nicht erneuerbarer Primär­energie dagegen entfällt. 

Lebenszyklusbetrachtung

Fortgesetzt wird die Logik der Le­bens­zyklusbetrachtung. Der CO2-­Ausstoss wird einzeln für Erstellung, Betrieb und Mobilität erfasst. Die Summe aller drei Bereiche ist im Klimapfad 390/1 als verbindlicher Zielwert definiert. Genauso ging der Vorgängerpfad vor, um eine flexible Umsetzung zu ermöglichen. 

Erweitert wird dagegen die Beurteilungspalette durch Zusatzanforderungen: Der Klimapfad erlaubt eine gesonderte Analyse von Erstellung und Betrieb, wofür beide Emissionswerte summarisch nachzuweisen sind.

ReUse ist bilanzierbar

Eine Premiere ist der Einbezug von Re-Use-Bauteilen. Hierfür liefert der Klimapfad erstmals eine wissen­schaftlich entwickelte Bi­lan­zie­rungs­­regel. Neuerdings lassen sich im Nachweisverfahren ausserdem zwei unterschiedliche Zielniveaus auswählen. 

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Die Basisvariante des SIA-Klimapfads (Variante B) orientiert sich an der Klimaschutzstrategie des Bundes, die Erderwärmung gemäss international vereinbartem Ziel auf +2 °C zu beschränken. Da­raus leiten sich folgende Werte für Einzelgebäude ab: Die Emissionsrichtwerte für Betrieb und Mobilität wurden teilweise um 25 % verschärft. Der Erstellung wird ein Budget von 9 kg CO2/m² (Neubau, alle Gebäudekategorien) zugestanden. 

Dieser Wert liegt deutlich unter dem Durchschnitt für neue Wohnbauten von rund 15 kg CO2/m² EBF. Derweil schlägt der Vernehmlassungsentwurf für die Muster­vorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn), Version 2025, einen Grenzwert von 12 kg CO2/m² (Kategorie: Neubau Wohnen) vor. 

Netto-Null bis 2040

Die CO2-Richt- und Zielwerte für die ambitionierte Klimapfad-Variante (Variante A) sind deutlich strenger. Für die Erstellung neuer Wohnbauten gilt zum Beispiel: 30 % weniger Emissionen als der Basiswert, also 6 kg CO2/m². Im Betrieb ist 1 kg CO2/m² erlaubt, halb so viel wie in der Basisvariante. Und bei der Mobilität sind 3 kg CO2/m² zielführend, ein Viertel weniger als in der Basisva­riante. 

Diese Vorgaben beziehen sich auf einen CO2-Reduktionspfad, der Netto-Null bereits per 2040 anvisiert. Referenz dafür bildet das nationale Klimaschutzgesetz, das der Bundesverwaltung und den Kantonen – als öffentliche Vorbilder – einen verkürzten Pfad auferlegt. 

Avantgarde gesucht

Im Quervergleich zu anderen Gebäudestandards liegt die Basisvariante nahe am strengen Grenzwert 1 von ecobau, der für die Erstellungsbilanz im Nachweisverfahren von Minergie-ECO einzuhalten ist (vgl. Diagramm «Vergleich Gebäudestandards» in der Galerie). Der ambitionierte Zielwert A des Klimapfads ist jedoch deutlich strenger als bisherige Standards. Gemäss der Normenkommission sucht der Klimapfad nicht Gebäude aus der breiten Masse, sondern spricht die Avantgarde des klima­freundlichen Bauens an. Kaum erreichbar sind die Zielwerte zum Beispiel für Gebäude an Standorten, die mit dem ÖV schlecht erschlossen sind. 

Vor Einführung der Klima­norm wurden realisierte Neu- und Umbauten probehalber bilanziert. Die Resultate waren erstaunlich positiv: Selbst Gebäude, die vor über zehn Jahren gebaut wurden, erfüllen die Vorgaben.

Transparenz über Kohlenstoffspeicher

Auch für klimabewusste Materialrezepturen will der Klimapfad eine Lanze brechen. Die Norm vereinheitlicht die Berechnung des gespeicherten Kohlenstoffgehalts in Baustoffen, seien dies nun nachwachsende Rohstoffe oder Beton. Die temporären CO2-Senken in einem Gebäude sollen dadurch transparent dargestellt werden können. Den gespeicherten Kohlenstoff in der gebäudebezogenen CO2-Bilanz anzurechnen, ist dagegen nicht erlaubt. 

Eine Bedingung dafür wäre, dass sich Bauwirtschaft, Gesetz­geber und Forschung einigen, wie Negativemissionen zu definieren sind. Die Wissenschaft fordert: Das Einspeichern von Kohlenstoff soll rechtlich verbindlich geregelt und so lange sichergestellt werden, dass von einem «permanenten», bestenfalls über mehrere Gebäudelebenszyklen dauernden Prozess gesprochen werden kann. 

Netto-Null-ready

Diesbezüglich haben Fachleute im Auftrag des Bundes weitere Bedingungen formuliert und ihre Erkenntnisse in mehreren Berichten zu «Netto-Null Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich» dargestellt. Sie fällen zudem ein positives Urteil über den SIA-Klimapfad: «Ein Gebäude, das die ambitionierte Zusatzanforderung A einhält, darf als Netto-Null-ready bezeichnet werden.»

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