Swis­sbau 2014: Das Ge­bäu­de im Sy­stem

Arealvernetzung als Beitrag zur Energiestrategie 2050

Mit der Abkehr von der Atomkraft werden dezentrale Anlagen zur Energiegewinnung wie Windparks, Photovoltaik- oder Biogasanlagen wichtiger. Auch die Abwärme aus Industrie und Büros wird genutzt. Sinnvoll erscheint die Vernetzung der einzelnen Nutzer, Produzenten und Speicher auf Arealebene. Wie funktioniert ein solches Netz, was kann es leisten, und wo liegen die Fallstricke?

Data di pubblicazione
23-01-2014
Revision
01-09-2015

Den Einstieg machte Peter Menti, Leiter des Zentrums für integrale Gebäudetechnik ZIG an der Hochschule Luzern. In seinem Referat vermittelte er die Grundlagen der Arealvernetzung als ein Baustein auf dem Weg zur Energiewende. Dabei spielt der Gebäudepark als Energieverbraucher Nr. 1 eine wichtige Rolle. Die Strategien zur Energiewende sind im Wandel begriffen: Während vor einigen Jahren noch das autarke Haus, später dann das Plusenergiehaus als Lösung der Energiefrage galt, favorisiert man heute eine gesamtheitliche Betrachtung – vom Gebäude als System zum Gebäude im System.

Bei einer Arealvernetzung produzieren, speichern und verbrauchen verschiedene Bauten eines Quartiers je nach Nutzung (Wohnen, Dienstleistung, Industrie) thermische und elektrische Energie. So kann die Abwärme eines Bürogebäudes die benachbarten Wohnungen heizen, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses liefert Strom.

Die Vorteile sind mannigfaltig: Das durch Produzenten erneuerbarer Energie stark belastete Netz kann reguliert und der Speicherbedarf reduziert werden. Auch aus baukultureller Sicht klingt das System vielversprechend, erlaubt es doch eine differenzierte Herangehensweise. So können energetisch nicht optimale, aber historisch wertvolle Bauten als Teil des Systems erhalten werden. So weit die Theorie.

Komplexes Zusammenspiel

Wie das Ganze in der Praxis aussieht, erklärte Gilbert Schnyder. Er forscht seit 14 Jahren am Projekt «Verteilte Einspeisung in Niederspannungsnetze» VEiN. Lange vor dem beschlossenen Atomausstieg untersuchte man hier innerhalb eines Quartiers in Rheinfelden (AG) die Auswirkung der dezentralen Einspeisung von elektrischer Energie auf die Netzqualität. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Es funktioniert, aber der Steuerungsaufwand ist beträchtlich, und von der Wirtschaftlichkeit ist man noch weit entfernt. 

Untersucht wurden dezentrale Stromproduzenten und Speicherelemente, darunter Blockkraftheizwerke, PV-Anlagen, Windräder, Kleinwasserkraftwerke, elektronische Transformatoren und elektrische Speicher. Während einige inzwischen etabliert sind (PV-Anlagen, BKHW) scheiterten andere (bisher) an der technischen Umsetzung (elektronischer Transformator) oder an Einsprachen (Kleinwasserkraftwerk, Windrad nur in reduzierter Form genehmigt). Neben dem technisch anspruchsvollen Betrieb des Netzes braucht es daher auch rechtliche Grundlagen, die die Nutzung von Synergien innerhalb eines Areals erleichtern.

Die Zukunft hat begonnen

Thomas Gautschi von Amstein + Walthert schliesslich stellte bereits realisierte Projekte vor: den Campus der ETH Hönggerberg und das Gelände der Familien-Genossenschaft Zürich. Während der Campus aufgrund des einzelnen Eigentümers ein vergleichsweise einfaches Projekt darstellt, sind bei der Genossenschaft mit den benachbarten Gebäuden von Crédit Suisse, Swisscom, Stadtspital Triemli und Kunsteisbahn Heuried noch weitere grosse Player (und Abwärmelieferanten) im Spiel. Trotzdem fiel Gautschis Fazit positiv aus: Die Zusammenarbeit mit den Behörden sei gut gewesen, zudem seien beide Projekte, da privat finanziert, auch wirtschaftlich. 

Wissen, um zu verstehen

Bei der anschliessenden Fragerunde kam der Widerspruch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit zur Sprache. Tatsächlich scheint die Nutzung der thermischen Energie weniger problematisch – zum einen ist sie rentabel, zum anderen aufgrund der unteririschen Leitungen weit weniger polarisierend als sichtbare Anlagen wie Windturbinen.

Einen weiteren Punkt griff der Thurgauer Architekt Peter Dransfeld im Publikum auf: die Diskrepanz des Wissensstands des (interessierten) Laien zu dem der anwesenden Planer. Für Erstere seien PV und Minergie bereits fortschrittlich, Arealvernetzungen dagegen gar nicht bekannt. Einig war man sich daher, diese Konzepte stärker der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, auch um betroffene Anwohner und beteiligte Behörden zu sensibilisieren und rechtliche Lücken schliessen zu können.

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