Al­te Stra­te­gien für neue Ideen

«Basel Pavillon» 2022; Internationaler Wettbewerb im zweistufigen Verfahren

Beim nachhaltigen Bauen gibt es viele unterschiedliche Herangehensweisen. Die Architekturwoche Basel vom 9. bis 15. Mai 2022 will mit dem ­Wettbewerb für den «Basel Pavillon» das zirkuläre Bauen voranbringen. Das Engagement ist lobenswert und das Ergebnis schön, aber wurden die richtigen Fragen gestellt?

Publikationsdatum
24-03-2022

Das industriell geprägte, ca. 50 Hektar grosse Dreispitzareal liegt im Südosten von Basel; ein grauer Zipfel zwischen dem grünen Wohnquartier Bruderholz und den Meriangärten. Im ehemaligen öffentlichen Materiallager, das den Mangel an Güterdepots im Basler Centralbahnhof um 1900 ausgleichen sollte, siedelten sich schnell mehrere Hundert Dienstleistungsbetriebe mit Schwerpunkt Logistik und internationalem Vertrieb an. Das Erscheinungsbild wird noch heute von Produktions- und Lagerhallen, Containern, Strassen ohne Gehwege und Schienen bestimmt.

Mit der von Herzog & de Meuron 2002 entwickelten «Vision Dreispitz» soll das abgeschlossene Gewerbeareal in ein lebendiges Agglomerationsquartier verwandelt werden. Der ca. 30 Jahre dauernde Prozess hat mit der Ansiedlung der Hochschule für Gestaltung und Kunst, des Hauses der elektronischen Künste und weiterer Einrichtungen der Kreativwirtschaft begonnen. Hier liegt auch der von der Christoph Merian Stiftung (Grundeigentümerin) zur Verfügung gestellte Bauplatz für den «Basel Pavillon». Anlässlich der Architekturwoche soll er das Thema des zirkulären Bauens aufzeigen.

Architekturdebatte im Pavillon

Im Zweijahresrhythmus wird zukünftig an der Architekturwoche Basel (AWB) über Architektur und Stadtplanung debattiert. Unter der künstlerischen Leitung der Architektin und Kuratorin Chrissie Muhr sind im Mai 2022 drei Formate geplant: Im «Forum» werden die Veränderungen auf den drei aktuellen Basler Entwicklungsarealen erörtert (u. a. das Dreispitzareal), der «Basel Pavillon» thematisiert die Wiederverwendung von Bauteilen, und der «AWB-Award» ermöglicht die Bespielung des öffentlichen Raums.

Vielfältige Ideen – aber reicht das aus?

Der Wettbewerb für den «Basel Pavillon» geht aus einer Zusammen­arbeit der AWB mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren der Basler Baukultur hervor. Ziel des Wettbewerbs war, mit einem Bauteilkatalog einen Pavillon zu entwerfen, der die konstruktiven, ästhetischen und räumlichen Qualitäten vom Bauen mit wiederverwendeten Bauteilen erfahrbar macht. Als Wettbewerbsgrundlage wurde ein Katalog von gebrauchten, wiederverwendbaren Bauteilen aus Abbruchprojekten in der Schweiz erstellt. Er umfasste verschiedene Baumaterialien und Bauteile. Mit ihren Projekteingaben mussten die Teams eine Liste mit allen im Entwurf verwendeten Komponenten einreichen. Ein konkretes Programm oder einen anderen Zweck gab es nicht.

Aus einem international ausgeschriebenen Open Call wurden in einer ersten Verfahrensstufe sechs Teams ausgewählt und zu­sam­men mit acht eingeladenen Teams in der zweiten Runde bewertet. Die Ideenvielfalt unter den insgesamt 190 Eingaben war hoch und reichte von nahezu immateriellen Entwürfen über die Gestaltung von Biotopen bis hin zu klassisch-archi­tektonischen Projekten. Der Siegerentwurf des spanischen Architekturbüros isla überzeugte durch seine einfache Form und ein simples Konzept, das die vielfältigen Materialien zur Geltung bringt. Über 50 Meter erstreckt sich der läng­liche Baukörper auf den Schienen und ­bildet dabei eine Galerie mit Aus­blicken in die umgebende In­dustrie­landschaft. Er besteht aus sechs Einheiten, von deren un­ter­schied­lichen Materialien das jeweilige konstruktive System abgeleitet ist. Ein einfaches Satteldach aus Trapez­blech verbindet die einzelnen Einheiten.

Der «Basel Pavillon» ist zweifellos ein guter Beitrag, um das Thema der Wiederverwendung von Bauteilen bekannter zu machen sowie im architektonischen Diskurs und der Praxis zu verankern. Solche Projekte sind dringend nötig.

Die Umgebung als Ressource vernachlässigt

Im Open Call heisst es ambitioniert: «Facing the consequences of environmental exploitation and destruction makes a paradigm shift in resource consumption imperative.» Das Ziel ist also, Ressourcen zu schonen und einen Paradigmenwechsel in der Bauwirtschaft herbeizuführen. Reicht es da wirklich aus, den Architektinnen und Architekten mit einem hübschen Projekt zu vermitteln, dass sie eigentlich wie bisher weiterbauen können, einfach mit wiederverwendbaren Bauteilen? Müsste das Umdenken nicht schon früher beginnen?

Weiter steht im selben Dokument: «The existing environment needs to be reconsidered as a source of ideas and resources: to reuse, reinvent use and give life again. It must be seen as architectural potential.» Die Umgebung solle als Quelle für Ideen und als Ressource verstanden werden und biete architekto­nisches Potenzial. Warum wird der Umgebung in diesem Projekt dann so wenig Aufmerksamkeit geschenkt? Der Bauplatz für den «Basel Pavillon» liegt zwischen vielen, teils leer stehenden Lager- und Produk­tionshallen. Es wäre ein Leichtes gewesen, dieses Potenzial mit einem Aufruf zum «kleinstmöglichen Eingriff»1 zu aktivieren. Stattdessen wird ein Pavillon neu gebaut, von dem aus die Besuchenden das Industrieareal zwar betrachten können, aber aus sicherem Abstand. Eine ehemalige Produktionshalle mit maschinellem Mobiliar hätte da einiges mehr an Atmosphäre zu bieten. Wirklich nachhaltiges Bauen würde damit beginnen, das vorhandene Potenzial am Ort zu entdecken, bevor reflexartig etwas Neues gebaut wird.

«This shift starts on a small scale», heisst es im Open Call und so zeigt dieser Wettbewerb im Kleinen, was im Grossen schiefläuft. Auch die Prozesse in der Architektur müssen überdacht werden. Ist es nicht ein Widerspruch in sich, Architekturschaffende aus aller Welt für den Bau eines Re-use-Pavillons in Basel einzuladen? Zumal in Basel mit seinen 245 Architekturbüros nun wirklich kein Mangel herrscht.

Die Veranstalterin argumentiert mit der grös­seren Reichweite und der internationalen Werbung für zirkuläres Bauen. Ein lokaler Wettbewerb und eine international versandte Pressemitteilung würden den gleichen Zweck erfüllen, mit weniger Ressourcenverbrauch.

Wertvolles Engagement

Trotz aller Kritik ist das Engagement der Organisatorin jedoch wertzuschätzen. Die Wiederverwendung von Bauteilen ist noch nicht in der allgemeinen Baupraxis angekommen und muss dringend mehr Beachtung finden. Sie ist nicht die Lösung aller Probleme, aber ein wichtiges Teil in einem grossen Puzzle. Bei ganzheitlicher Betrachtung sollte daher gelten: zunächst umnutzen, dann umbauen und neu bauen nur, wenn unbedingt nötig.

Anmerkung
1 Lucius Burckhardt: Der kleinstmögliche Eingriff. Martin Schmitz Verlag, Berlin 2013

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Wettbewerbssiegerin

isla, Mallorca/Basel

Wettbewerbsteilnehmende

Maker architecten, Gent; Luciana Lamothe, Buenos Aires; Biosphere-­driven Collective, São Paulo; Pa.LaC.E, London / Basel; Truwant + Rodet +, Basel; Piertzovanis Toews, Basel; ConstructLab, EU; Toestand, Brüssel; Kosmos Architects + Comte Meuwly, Zürich / Moskau / Graz / New York; Piovene Fabi, Mailand / Brüssel; Dima Srouji, Palästina / London; Infrastudio, Kuba / Rotterdam

Wettbewerbsjury

Chus Martinez, Leiterin Institut Kunst Gender Natur und Studiengangleiterin BA Bildende Kunst Fachhochschule Nordwestschweiz, Kuratorin Ocean Space TBA21-Academy, Basel; Marina Otero Verzier, Architektin, Direktorin Forschung am Het Nieuwe Instituut, Leiterin Social Design MA an der Design Academy Eindhoven, Rotterdam; Maarten Gielen, Co-Gründer und Direktor von Rotor Deconstruction, Brüssel; Emanuel Christ, Architekt, Co-Gründer Christ & Gantenbein, Professor ETH Zürich; Martin Weis, Leiter Abteilung Liegenschaften der Christoph Merian Stiftung, Basel

Weitere Informationen zur
Architekturwoche Basel (9. bis 15. Mai 2022)

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