Ba­sels «grü­ner» Asphalt

Das Basler Tiefbauamt mischt seinem Asphalt neuerdings Pflanzenkohle bei. Dadurch speichert der Strassenbau dank Kohlenstoff mehr CO2, als er verursacht. Das Beispiel zeigt, wie Negativ-Emissions-Technologien auch lokal einen Beitrag zum Netto-Null-Ziel leisten können.

Publikationsdatum
20-09-2023

Keine Angst, die asphaltierten Strassen in Basel bleiben schwarz. Wer Ende August bei brütender Hitze in der St. Alban-Vorstadt den Bauarbeiten zusieht, kann von blossem Auge nichts Ungewöhnliches feststellen: Der neue Strassenbelag sieht aus wie Asphalt, riecht wie Asphalt, dampft wie Asphalt. Höchstens die Kamerateams verraten, dass da wohl etwas Besonderes verbaut wird.

Tatsächlich sorgte schon eine erste Medienmitteilung des Basler Bau- und Verkehrsdepartements Anfang Sommer für mediales Aufsehen. Nun wurde der «grüne Asphalt» zum ersten Mal auf einer regulären Strasse verbaut. Das «Grüne» im Basler Asphalt ist dabei längst verkohlt und nur noch metaphorisch grün: Durch die Beimischung von Pflanzenkohle kann so viel Kohlenstoff im Belag eingelagert werden, dass die Treibhausgasemissionen, die der Strassenbelag verursacht, kompensiert werden.

Konkret für die St. Alban-Vorstadt fallen für 32 Tonnen Tragschicht CO2-Emissionen im Umfang von 1.1 Tonnen an, während durch die Beimischung von Kohlenstoff 1.2 Tonnen CO2-Äquivalente eingelagert werden. Zukünftig soll der Pflanzenkohle-Anteil von 2% auf bis zu 4% erhöht werden, damit nicht nur die Emissionen der Tragschicht, sondern des ganzen Strassenabschnitts kompensiert werden können. Ein detaillierter technischer Bericht wird Ende September 2023 auf der Webseite des Tiefbauamts Basel-Stadt veröffentlicht.

Normgemäss, aber stabiler

Die zertifizierte Pflanzenkohle stammt vom regionalen Energiedienstleistungsunternehmen IWB. Sie wird direkt im Belagswerk den üblichen Asphaltrohstoffen im Belagsmischer zugegeben und beim Mischprozess zerkleinert. Das Mischgut wird anschliessend wie gewohnt verarbeitet, technisch entspricht es im Sanierungsprojekt einem AC T 22 N für Tragschichten normaler Beanspruchung.

Im Entwicklungsprozess unterzogen das Tiefbauamt und das Institut für Baustoffprüfung ViaTec Basel unterschiedliche Normbeläge mit Pflanzenkohlezugabe einer Typenprüfung. Dabei wurde das Verhalten von N- und H-Beläge, Normal- sowie PmB-Bitumen und die Wachszugabe bei unterschiedlichen Beimischungsraten untersucht. Das Ergebnis: Bei allen Trag- und Binderschichten ist eine Zumischung von Pflanzenkohle möglich.

Einziger Unterschied: Der Belag muss etwa ein Drittel länger gewalzt werden, bis er ausreichend verdichtet ist, weil die Pflanzenkohle zu einer höheren Steifigkeit führt. Der verantwortliche Projektleiter Michael Schweizer vom Basler Tiefbauamt sieht das aber positiv: «Erste Auswertungen der Testversuche deuten auf eine bessere Spurrinnen-Resistenz hin. Das heisst, dass die Beimischung von Pflanzenkohle nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern auch für den Asphalt selbst bietet.» Im Idealfall verlängert sich durch die bessere Stabilität also auch die Nutzungsdauer der Strassen.

→ Den technischen Bericht zum Pflanzenkohle-Asphalt finden Sie hier.

Dauerhafte Einlagerung, über die Nutzungsdauer hinaus

Entscheidend für eine echte Senkenleistung ist die Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffeinlagerung, das gilt auch für die Beimischung im Asphalt. Die Nutzungsdauer eines Tragschichtbelags beträgt etwa 50 Jahre, mit höherer Druckstabilität möglicherweise etwas länger. Das alleine wäre – aus Sicht der Negativ-Emissions-Technologien – eine sehr kurze Lagerungszeit, deren kompensatorische Wirkung unglaubwürdig wäre. Die Einlagerung beschränkt sich aber nicht nur auf die Zeitdauer der Nutzungsdauer, sondern geht darüber hinaus: Die Pflanzenkohle bleibt auch im Recycling-Verfahren chemisch stabil und kann wie herkömmlicher Asphalt zahlreiche Male aufbereitet und wiederverwertet werden. Erst bei Temperaturen ab 350° bis 400° reagiert die Pflanzenkohle und der Kohlenstoff entweicht als CO2  wieder in die Atmosphäre.

Standardverfahren an Netto-Null anpassen

Für das Tiefbauamt war die Einbindung in die gewohnten Abläufe ein wichtiges Anliegen. Der verantwortliche Projektleiter Michael Schweizer führt aus: «Nur wenn der Belag alle Normen erfüllt und in Standardverfahren eingesetzt wird, können wir ihn überall anwenden. Und nur dann ist die Lösung auch problemlos auf andere Kantone, Gemeinden und Unternehmen übertragbar.» Die erste Medienmitteilung diente auch dazu, das Verfahren zu veröffentlichen und damit sicherzustellen, dass niemand ein Patent anmelden könne.

Noch wird aber nicht jede neue Strasse in Basel als Kohlenstoff-Speicher genutzt werden, denn aktuell bietet nur ein Strassenbauunternehmen in seinem Belagswerk die Anreicherung des Asphaltmischguts mit Pflanzenkohle an. Eine Ausschreibung mit dieser Anforderung wäre darum nicht zulässig; erst wenn mehrere Unternehmen mitbieten können, darf es zum Zuschlagskriterium werden. Auch darum ist es für das Tiefbauamt wichtig, das Verfahren nicht unter Patent zu sichern. Aber Michael Schweizer ist zuversichtlich, dass das Verfahren in Basel schon bald der Standard sein wird: «Das Netto-Null-Ziel ist gesetzt und wir müssen in allen Bereichen Lösungen finden. Die Einlagerung von Pflanzenkohle im Asphalt ist zwar nur ein kleines Puzzlestück, leistet aber einen konkreten Beitrag zur Reduktion der Emissionen im Strassenbau.»

Ein Puzzlestück auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel

Wie bei allen Negativ-Emissions-Technologien bleibt festzuhalten: Die Einlagerung von Pflanzenkohle alleine wird unsere Klimabilanz nicht auf netto null bringen. Die Knappheit des Ausgangsprodukts ist die entscheidende Schwachstelle: Das Holz ist als Baum und Rohstoff zu begehrt, als dass wir es systematisch für die Einlagerung nutzen sollten. Möglicherweise bieten andere, schnellwachsende biogene Stoffe eine Alternative. Im Gegensatz zu einer Einlagerung im Boden wäre wohl die Einlagerung von möglicherweise verunreinigter Pflanzenkohle im Asphalt weniger problematisch, da die Kohle hier gebunden bleibt und die Stoffe nicht ausgewaschen werden können.

Und trotzdem zeigt sich: Überall dort, wo Holz und biogene Stoffe als Energieträger verwendet werden, leistet die Herstellung und Einlagerung von Pflanzenkohle einen Beitrag zur Reduktion der Emissionen. Wenn darüber hinaus auch noch die Nutzungseigenschaften verbessert werden können – sei dies in der Landwirtschaft oder im Strassenbau – handelt es sich wortwörtlich um eine Win-Win-Situation. Und davon brauchen wir noch ganz viele auf dem Weg zu Netto-Null.

Pflanzenkohle als Nebenprodukt der Fernwärme

 

Die eigentliche Arbeit der CO2-Speicherung vollbringt der Baum bzw. die Pflanze, aus der die Pflanzenkohle hergestellt wird, und nicht der Asphalt. Die Pflanze speichert durch Photosynthese beim Wachstum CO2 aus der Luft in Form von Kohlenstoff «C», während sie den Sauerstoff «O» wieder abgibt. Dieser Kohlenstoff bleibt so lange im Baum gespeichert, wie dieser lebt. Erst wenn er im Wald vermodert und sich zersetzt oder aber verbrannt wird, entsteht wieder CO2, das in die Atmosphäre entweicht. Mit der Pyrolyse, einem Verbrennungsprozess unter weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff, kann diese Freisetzung von CO2 grösstenteils verhindert werden. Als Produkt entsteht Kohlenstoff, der nicht vermodert und – beispielsweise in Asphalt – dauerhaft eingelagert werden kann. Die rechnerische CO2-Äquivalenz von Pflanzenkohle bezieht sich auf die durch die Pyrolyse verhinderten Emissionen, die ansonsten irgendwann freigesetzt werden würden: 100g Kohlenstoff entsprechen rund 366g CO2eq. Der genaue Anteil Kohlenstoff in Pflanzenkohle variiert leicht je nach Hersteller.

 

Dass die Pflanzenkohle von den IWB stammt, ist kein Zufall: Die Umstellung der Wärmeversorgung auf klimaneutrale Energieträger wird auch in Basel zügig vorangetrieben. Die Bevölkerung hat das Jahr 2037 zur Deadline für das Netto-Null-Ziel erklärt, abgestimmt auf den Ausbau der Fernwärme um rund 60 zusätzliche Kilometer. Gleichzeitig mit dem Netzausbau muss das Erdgas, das noch immer den Spitzenbedarf abdeckt, durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Holzkraftwerke sind dafür eine Möglichkeit, da ihre Energie klimaneutral gerechnet werden kann: Es wird nur so viel CO2 emittiert, wie die Pflanze zuvor aus der Atmosphäre aufgenommen hatte. Noch besser fällt die Rechnung bei einer Pyrolyse-Anlage aus, denn hier bleibt ein Teil des Kohlenstoffs in Form von Pflanzenkohle erhalten.

 

Die Herstellung von Holzkohle durch Pyrolyse-Verfahren ist dabei nichts neues und schon seit Jahrhunderten bekannt. Auch im Gartenfachhandel und für die Landwirtschaft ist Pflanzenkohle in reiner Form, als Schwarzerde oder «Terra Preta» erhältlich: Sie soll den Boden auflockern und dank ihrer Speicherfähigkeit Wasser und Nährstoffe langsam an die Umgebung abgeben. Auch die IWB verkauft ihre zertifizierte Pflanzenkohle an Private und bewirbt ihre Vorteile im Gartenanbau. Denn auch bei einer Einlagerung im Boden ist die Pflanzenkohle erstaunlich stabil: Die natürliche Zersetzung dauert bis zu 2000 Jahre.

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