Erster Aargauer Naturpreis verliehen
An der diesjährigen Vernetzungsplattform Natur 2030 stand die Förderung der Biodiversität im Fokus. Die Veranstaltung zeigte, wie vielfältig die Massnahmen zur Erhöhung der Qualität öffentlicher Freiräume, von Firmenarealen und Immobilien sein können. Der Kanton Aargau zeichnete fünf besonders nachahmenswerte Beispiele aus.
Die Herausforderungen des Klimawandels und der Rückgang der Biodiversität müssen gemeinsam angegangen werden. Landesweit sind die Hälfte aller Lebensräume sowie ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten bedroht. Der Kanton Aargau setzt sich deshalb für den Dialog verschiedener Akteursgruppen aus Bauwesen, Immobilienverwaltungen, Vertretern der «grünen Branchen» sowie der Gemeindeverwaltungen ein. Im vergangenen März kamen diese verschiedenen Akteure an der Vernetzungsplattform Natur 2030 in Aarau zusammen. Ziel der ganztägigen Veranstaltung war, Best-Practice-Beispiele kennenzulernen und gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie im Siedlungsraum mehr Artenvielfalt geschaffen sowie die Lebensqualität der Bevölkerung gesteigert werden kann.
TEC21 16/23 «Stadtnatur» widmet sich der Biodiversität im städtischen Raum und wie diese in der Planung besser berücksichtigt werden kann. Das Heft erscheint am 19. Mai, kurz vor dem Internationalen Tag der Biodiversität und dem Festival der Natur.
«Welches Umfeld möchten wir Bewohnern und Mitarbeitern bieten?», mit dieser Frage setzen sich Immobilienbewirtschaftung, Politiker und Investorinnen vermehrt auseinander. Die Stadt Zofingen beteiligte sich 2022 an einem Pilotprojekt zur Lebensraumaufwertung und Klimaanpassung. In Aarau berichtete Christiane Guyer, Stadtpräsidentin von Zofingen, von ihren Erfahrungen. «Wir haben gelernt, dass der natürliche Lebensraum in die Planung miteinbezogen werden muss», sagt sie. So entstand in Zofingen ein neues Baumkonzept, Quartierstrassen wurden verschmälert und mit Grünflächen versehen. So wurde denn auch bei der Vergabe des ersten Aargauer Naturpreises ein Projekt aus Zofingen mit dem ersten Platz prämiert.
Mehr Biodiversität dank Neubau
Aus 17 eingereichten Projekten wurden drei lokale und ein kommunales Projekt mit Preisgeldern versehen. Den Spezialpreis der Jury erhielt ein Schulprojekt in Zeihen. Der erste Preis der Kategorie «Lokal» ging an den Rosengarten in Zofingen. Im ehemaligen Friedhof haben der Verein Lebendiger Rosengarten und die Stadt mit der Bevölkerung eine Vielzahl an Wildrosen gepflanzt. Kleinstrukturen für Tiere wurden geschaffen und ein Nasch- und Nutzgarten angelegt. Auch Kurse für den Bau von Trockensteinmauern fanden statt. Für die naturnahe und nachhaltige Pflege dieser Biodiversitätsoasen wurden die Mitarbeiter des Werkhofs geschult. «Interessanterweise hat die Aufwertung dieses Stücks Land das Littering dort stark vermindert», beobachtete Christiane Guyer.
Dass ein Neubau nicht Verlust von Biodiversität bedeuten muss, zeigt einer der beiden zweitrangierten Preisträger der Kategorie «Lokal», die Klinik Naturpark Barmelweid in Erlinsbach. Die Bauherrschaft hatte bei der Neuplanung des Hauptgebäudes das Ziel, die 15 Hektar Klinikumgebung so zu planen, dass diese ein Abbild der natürlichen Umgebung wird. So finden sich heute ein kleiner Föhren- und Birkenwald, Orchideen und eine Streuobstwiese mit alten Sorten auf dem Grundstück der Klinik. Dank der Wahl lokaler Pflanzenarten haben Insekten, Vögel und Amphibien wieder mehr Platz zum Leben.
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Chancen
Die Planung der Biodiversität gehört bei Projekten des Immobilienmanagements des Kantons Aargau mit dazu. Die Biodiversitätsstandards bei kantonalen Liegenschaften setzen voraus, dass Gebäude Lebensräume bieten und Gefahrenquellen für Tieren minimieren, etwa mittels Vogelschutzfolien. Einheimische Wildpflanzen haben Vorrang, die Umgebungsgestaltung schafft zudem eine Vielfalt an Lebensraumtypen und ist vernetzt. Die Pflege erlaubt Rezyklierung vor Ort, schont alte Strukturen und plant die Eingriffe gestaffelt.
Auch Beispiele aus der Privatwirtschaft zeigten, wie die Artenvielfalt auf Firmenarealen gefördert werden kann. Der Halter AG ist eine hohe Aufenthaltsqualität in ihren und rund um ihre Büro- und Gewerbehochhäuser Futurama in Lupfig/AG wichtig. Denn bauliche und pflegerische Massnahmen bei der Freiraumgestaltung bieten nicht nur gesellschaftliche, sondern auch wirtschaftliche Chancen. Deshalb liess die Firma die Biologin Manuela Di Giulio Lösungsansätze ausarbeiten. Man wollte herausfinden, wie die Biodiversität auf dem Firmenareal gefördert, der Freiraum aufgewertet und die Auswirkung des Klimawandels gemindert werden kann.
Dachbegrünungen verbessern Luftqualität
Manuela Di Giulio von der Natur Umwelt Wissen GmbH zeigte an einem Workshop während der Vernetzungsplattform Natur 2030 eindrücklich auf, dass man selbst bei einem massiven Gebäudekomplex mit 20 000 Kubikmeter Volumen und stark versiegelten Aussenflächen einiges bewirken kann. Potenzial sieht sie in der Begrünung der Fassaden. Dabei sollen ökologisch wertvolle Kletterpflanzen wie Hopfen oder Waldgeissblatt zum Zuge kommen.
«Kletterrosen, Kletterhortensie oder Akebie bieten Insekten und Vögeln Nahrung und Schutz. Als Kletterhilfen könnten Seile und Netze dienen. Der Brandschutz muss abgeklärt werden», erläuterte Manuela Di Giulio. Sie rät, die Dächer ökologisch wertvoll zu begrünen und mit Photovoltaik-Anlagen zur Energiegewinnung zu versehen. Dachbegrünungen verbessern die Luftqualität und haben eine ausgleichende Wirkung auf das Klima im Haus und auf dem Dach.
Die entsiegelten Freiflächen empfiehlt sie mit Ruderalvegetation anzusähen oder mit einer Wildhecke zu bepflanzen. Ist eine Entsiegelung unmöglich, kann man einheimische Stauden in Tröge setzen. Ein Regenwassermanagement zwecks Sammlung des Regenwassers bringt viele Vorteile, beim Halter-Areal drängt sich zudem die Vernetzung mit dem Bachtelkanal neben dem Firmengelände auf. So kann der Bach, mit einer Wildhecke verbunden, nicht nur als Lebensraum für Vögel, Libellen und Amphibien dienen, sondern auch als Aufenthaltsraum für die Mitarbeitenden. Denn Naturvielfalt steigert automatisch die Lebens- und Wohnqualität der Menschen in der Umgebung.
Und je besser die Vernetzung der Lebensräume, umso grösser die Vielfalt. Dies wird auch das Thema der Vernetzungsplattform und des Naturpreises 2024 sein: «Lebensräume vernetzen – gemeinsam realisieren wir die ökologische Infrastruktur».
Weitere Informationen: www.ag.ch/naturpreis
Siegerprojekte 2023
- Lebendiger Rosengarten, Zofingen: Lokales Projekt (5000 Fr.)
- Naturgarten Alterszentrum Schönegg, Brugg: Lokales Projekt (2500 Fr.)
- Naturpark Klinik Barmelweid: Lokales Projekt (2500 Fr.)
- Mehr Natur im Dorf, Küttigen: Kommunales Projekt (10'000 Fr.)
- Rettet den Feuersalamander, Schule Zeihen: Spezialpreis der Jury (1000 Fr.)
Mehr Natur im Garten – das Wichtigste in Kürze
- Möglichst einheimisches und standorttypisches Pflanzmaterial und Saatgut verwenden
- Kies, Holz oder Steinplatten aus Region benutzen
- Verschiedene Lebensräume an trockenen, feuchten, sonnigen und schattigen Standorten anlegen
- Auf mageren, nährstoffarmen Böden, möglichst ohne Humus gedeiht die grösste Vielfalt an Pflanzen
- Totholz und Verblühtes stehen lassen. Bietet Tieren Nahrung und Unterschlupf
- Auf chemische Dünger und Pestizide verzichten
- Der Natur Zeit geben. Viele Wildstauden und Wiesenblumen blühen erst ab dem zweiten Jahr
- Naturgarten mit klaren Linien und Strukturen in Szene setzen
(Quelle Broschüre Naturama: «Mehr Natur im Garten»)