«Mit ei­nem Erhalt wäre nie­man­dem ge­dient»

Leserbrief

Der geplante Abbruch des Gewerbegebäudes Tribschen in Luzern, den wir im Beitrag «Untolerierbare Geschichtsleugnung» (TEC21 19/2020) beleuchteten, wird kontrovers diskutiert. Der am benachbarten Neubau beteiligte Architekt nennt Planungsfehler als Gründe für das Dilemma.

Date de publication
07-07-2020

Den Titel des Artikels würde ich eher umbenennen in «Untolerierbare jahrelange Verhinderung und Verzögerung der Bauabsichten der CSS Kranken Versicherung AG». Nur kann es sein, dass dem Artikelverfasser nicht alle Fakten bekannt sind.

Zugegeben, das Objekt wäre ein Trouvaille – wenn man vor 25 Jahren seinen Stellenwert erkannt hätte. Damals stand zur Diskussion, über das Werkhofareal einen Bebauungsplan zu erstellen;  heute ist dieser in Kraft. Das besagte Gewerbegebäude stand damals noch als Solitär an der Tribschenstrasse, war aber schon in einem erbärmlichen Zustand. Nur wenn man die Gelegenheit hat, das Gebäude von innen zu sehen, lassen sich seine formalen und konstruktiven Qualitäten sehen und das einstig schöne Äussere erahnen. Aussen und innen ist das Haus schon längst verschandelt und verkommen, eine Wiederherstellung wäre masslos teuer und ist einem Eigentümer, dem die Stadt mehrmals zugesichert hat, dass einem Abbruch nichts im Weg stehe, nicht zumutbar.

Der heutige Bebauungsplan Tribschenstadt entstand in einem mehrstufigen Verfahren. In allen Wettbewerbs- und Entstehungsverfahren bis heute hatte das Gewerbegebäude keinen Stellenwert und war durch jene, die für die Rahmenbedingungen der Wettbewerbe verantwortlich zeichneten, zum Abbruch freigegeben. Darunter waren Stadtarchitekten, Vertreter der Denkmalpflege und namhafte Jurymitglieder. Niemand hatte den Wert des Gewerbegebäudes erkennen wollen. Nun soll Jahrzehnte später aufgerollt werden, was damals verpasst wurde – dies, nachdem der heutigen Eigentümerin CSS Versicherung mehrfach beteuert wurde, dass einem Neubau nichts im Weg stehe und das Gewerbegebäude abgerissen darf. Seit vier bis fünf Jahren wartet die CSS nun auf einen Entscheid, damit sie auf diesem Areal einen Wettbewerb durchführen und ihre Bauabsichten konkretisieren kann. Wäre dieses Theater für sie voraussehbar gewesen, hätte die CSS das Areal niemals von der Vorgängereigentümerin, der Erbengemeinschaft Eggstein, erworben.

Nun steht der Bau aus dem Jahr 1932 da und harrt der Dinge, die da kommen: abgerissen zu werden oder umzingelt von Neubauten, zur Erweiterung des dringend von der CSS benötigten Büroraums. Das Kapital, das für den Kauf der Baulandliegenschaft bezahlt wurde, liegt brach, durch Unvermögen der Baudirektion der Stadt Luzern und weiterer Instanzen, die im Verfahren und in der Vorbereitung für das Areal Tribschenstadt Verantwortung hätten übernehmen sollen.

Das von der Denkmalpflege beim Berner Architekten Andrea Roost in Auftrag gegebene Gutachten kenne ich. Es zeigt deutlich, dass niemandem damit gedient wäre, das Gewerbegebäude zu erhalten. Ich hatte als damaliger bauverantwortlicher Architekt den heute bestehenden Hauptsitz der CSS Versicherung mit Andrea Roost realisiert, vom Erstellen der Wettbewerbsunterlagen bis zum Einzug in den heute 15 Jahre alten Bau. Das Gewerbegebäude verkommt in dieser Studie zum Disneylandprodukt aus den 1930er-Jahren, und der Neubau wird zur Krücke, weil zu viele Kompromisse einzugehen wären, um eine klare Gebäudestruktur für guten Büroraum und gute Architektur zu erhalten.

Das einzige Verfahren, das dieser einstmals qualitativ hochstehenden Architektur helfen könnte, ist der Abriss und Wiederaufbau an einem geeigneten Standort. Denn das arme, verfallene Haus steht schon heute schräg im städtebaulichen Kontext neben dem Hauptsitz der CSS und dem Niemandsland an der Tribschenstrasse, das auf dem Weg zu einer sinnvollen Nutzung vor sich hin darbt.

Zudem gibt es eine weitere Studie, erstellt durch den Luzerner Bauökonomen Walter Graf. Sie besagt, dass eine Instandstellung, um in energetischer und struktureller Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen zu genügen und der Qualität der Architektur gerecht zu werden, mit immensen Kosten verbunden wäre. Also lassen wir das Gewerbegebäude gut dokumentieren, sein Lebenszyklus ist erloschen, bedingt durch seinen schlechten Zustand und vor allem dadurch, was darum herum schon gebaut ist und noch dazu kommen soll. Das alles wird im ansonsten guten Bericht leider  mit keiner Silbe erwähnt.

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