Von der Stadt zur Türk­linke und zurück

Neun Jahre nach dem ersten Band erschien vor Kurzem Teil 2 der Monografie des in Stuttgart ansässigen und weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannten Architekturbüros Lederer Ragnarsdóttir Oei: in identischem Design, mit gleicher Seitenzahl und in der Präsentation der Bauten ebenso unprätentiös wie der erste Teil.

Date de publication
11-08-2022

Dass seit dem Erscheinen des ersten Bandes die eher untypische Spanne von neun Jahren vergangen ist, hat einen besonderen Grund: Arno Lederer, Gründer des Büros, und Jórunn Ragnarsdòttir, seit 1985 Partnerin, verliessen 2021 das Büro und gehen gemeinsam mit Sölvi Lederer unter dem Namen «Lederer Ragnarsdóttir» mit Sitz in Berlin eigene Wege. LRO, wie das bestehende Büro seitdem heisst, bleiben sie in einer ständigen Arbeitsgemeinschaft verbunden. Marc Oei führt es mit neuen Partner*innen weiter.

Sinnliche Präsenz von Architektur

Den Auftakt in diesen zweiten Band bildet ein kurzer einführender Text des Führungstrios über die eigene Arbeit und das Büro, der sich bescheiden in der Sprache und hoch in den Erwartungen an sich selbst präsentiert. Stadt und Landschaft bilden bei den Projekten den Ausgangspunkt der Überlegungen. Die Liebe zum Detail und eine handwerkliche Ausführung spielen im weiteren Verlauf eine ebenso wichtige Rolle. Dass dies keine hohlen Worte sind, davon zeugen die Bauten der drei Partner und ihres Teams.

Mit dem anschliessenden Text von Amber Sayah, Redaktorin von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, folgt ein Blick von aussen. Im Übergeordneten und im Detaillierten erläutert sie die Arbeit des Büros und betont «die Fähigkeit, Tradition und Moderne zu etwas Drittem zu verschmelzen». So bieten diese beiden Essays Interessierten wie Kennern aufschlussreiche Hintergrundinformationen für den sich anschliessenden Projektteil.

Schlicht, sachlich, schwarzweiss

23 Bauten aus den Jahren 2013 bis 2021 – in direkter Fortführung des ersten Buchs von 2012 – werden mit Text, Vorher- und Nachher-Lageplan, Grundrissen und Schnitten sowie Schwarz-Weiss-Fotografien ausführlich präsentiert. Die Texte stellen die Bauten in einen übergeordneten Kontext, erläutern die dazugehörende Geschichte und spannen so einen Rahmen auf, der weit über das singuläre Projekt hinausgeht – passend zum entwerferischen Ansatz des Büros.

Bei den Lageplänen wäre eine Ausnahme vom reinen Schwarzweiss des Buchs allerdings hilfreich gewesen, um das vorgestellte Gebäude zügig ausfindig machen zu können. Alle anderen Pläne sind dagegen aufschlussreich und sehr schön bearbeitet, sodass man sie gerne studiert und sich dafür ausreichend Zeit nehmen sollte. Die s/w-Fotografien lenken den Blick der Betrachtenden aufs Wesentliche, auf die Struktur des Gebäudes und die verwendeten Materialien – ein äusserst wohltuendes Design in diesen schrillen Zeiten. Angeordnet sind die Projekte chronologisch nach dem Jahr der Fertigstellung unter Angabe des Projektbeginns und der Art des Verfahrens.

Raum für Besonderes

Wie zu welcher Tiefe das Büro seine Entwürfe bearbeitet, zeigt sich im Kapitel «Objekte» auf sehr gelungene Weise. Auf knapp 30 Seiten werden jeweils mit einem kurzen Text und zwei Bildern ausgewählte Details verschiedener Bauten vorgestellt, die die Architektinnen und Architekten von 1979 bis 2021 entwarfen: vom Türdrücker und der Klingelanlage über Klappläden bis zu zahlreichen Leuchten.

Auch den «16 Stationen» der Remstal-Gartenschau, kuratiert von Jórunn Ragnarsdòttir, ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Von der Quelle des Flusses Rems bis zu seiner Mündung in den Neckar entstanden 16 Stationen als «Orte des Innehaltens, des Nachdenkens und der Besinnung». Das Einzigartige daran: Jede Station befindet sich in einer anderen Gemeinde und wurde von einem bekannten Büro entworfen – eine Bereicherung für die Region.

Den Abschluss vor dem Anhang mit Auszeichnungen, Ausstellungen, Bildnachweis und weiterem mehr bildet eine Übersicht über die Projekte, die gerade noch in Arbeit sind. Jeweils eine Doppelseite ist ihnen gewidmet, wiederum mit einem kurzen Text, zwei Lageplänen und meist einem Grundriss.

Überzeugendes Design

Über den gelungenen Inhalt hinaus, sind noch zwei Aspekte der ebensolchen Grafik hervorzuheben: Die deutschen und die englischen Texte sind schlicht und selbstverständlich in zwei nebeneinanderliegenden Spalten angeordnet, weshalb trotz der beiden Sprachen alles ruhig und äusserst aufgeräumt wirkt. Anstatt schlicht mit Absätzen zu arbeiten, markieren fettgedruckte Initialen die einzelnen Abschnitte der Texte. An diesen Feinheiten zeigt sich, dass Architekten einfach Individualisten sind.

Lederer Ragnarsdóttir Oei (Hg): Lederer Ragnarsdóttir Oei 2, Jovis Verlag, Berlin 2021. 264 S., 150 s/w-Abbildungen, Deutsch/Englisch, 24,5 x 29,7 cm, Leinenband mit Banderole, ISBN 978-3-86859-706-6, Fr. 62.–

 

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