Kon­ti­nuität in Geist und Form

Umbau und Erweiterung des AXA-Versicherungsgebäudes

Der Umbau eines postmodernen Verwaltungsbaus zu Wohnungen stellte Brauen Wälchli Archi­tectes vor gestalterische und konstruktive Herausforderungen. Die Stärkung seines ursprünglichen Ausdrucks brachte den Geist des Hauses wieder hervor und prägte die Erweiterung.

Date de publication
04-12-2024

Das zwischen 1974 und 1978 von Jean-Marc Lamunière als Westschweizer Sitz des Versicherers Winterthur erbaute Verwaltungsgebäude beherbergte in den letzten 40 Jahren verschiedene Mietende und wurde 2022 unter Denkmalschutz gestellt. Seine Fassade zeichnet sich durch einen markanten strukturellen Ausdruck aus. Dieser entsteht durch Betonfertigteile, aussen angehängte metallene Laufgänge und leichte Fassadenverkleidungen. Als Vorbote der späteren postmodernen Haltung von Jean-Marc Lamunière weist die Fassade dank der gebogenen Geometrien der Fertigteile und ihrer klassischen Proportionen originelle Formen auf. Durch die Verlängerung der Doppelstützen im unteren Bereich sowie Erker an den Ecken und in der Mittelachse des Gebäudes entsteht eine Dreiteilung. 

In den 1970er-Jahren entstandene Konzepte, die heute als «bioklimatisch» bezeichnet werden, veranlassten den Genfer Architekten dazu, die Fassadenmodule als vertikalen Sonnenschutz einzusetzen. Seine Bemühungen um eine nachhaltige Bauweise in Bezug auf Energieeffizienz scheiterten jedoch an der Ost-West-Ausrichtung des Gebäudes. Die Räume waren morgens und am späten Nachmittag zu stark der Sonne ausgesetzt, wurden zu heiss und mussten gekühlt werden. Infolgedessen installierten die Nutzerinnen und Nutzer mobile Klimageräte auf den aussenliegenden Metallkorridoren. Statt also, wie vom Architekten geplant, als Pflanzenhalter zu dienen, trugen die Metallkorridore nun Kühlgeräte und verringerten die Energieeffizienz des Gebäudes zusätzlich.

Schräge Lösungen

Im ursprünglichen Grundriss wird ein grosses, offenes Geschoss durch einen zentralen Erschliessungskern und zwei runde Treppenhäuser auf beiden Seiten bedient. Grosse Säulen mit 1 m Durchmesser und integrierten technischen Schächten sowie das Achsmass von 9 m gewährleisten eine hohe Nutzungsflexibilität. Trotzdem stellte die Umwandlung der Büroflächen in Wohnräume eine Herausforderung dar. Das lag zum einen an der grossen Tiefe des Gebäudes (23 m mit den Metallkorridoren) und zum anderen entsprach der Rhythmus der Fassade nicht den üblichen Zimmerproportionen. Im Wettbewerb fanden Brauen Wälchli Architectes eine innovative Lösung, indem sie schräge Formen in den Grundriss integrierten. Dadurch wurden die Räume besser nutzbar und eine natürliche Belichtung ermöglicht.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft Immobilien und Energie «Metamorphose: Aus Büros werden Wohnungen». Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem digitalen Dossier. 

Beim Erweiterungsbau schlugen die Architekten statt eines Anbaus an das bestehende Gebäude eine Ergänzung vor, die zwar im Dialog mit dem Altbau steht, sich aber selbstbewusst davon abhebt. Bei der Planung des neuen Gebäudes mussten viele Bedingungen einbezogen werden. Um beispielsweise das bestehende unterirdische  Parkhaus weiter nutzen zu können, musste die Struktur des Neubaus daran angepasst und eine Zufahrtsrampe überbrückt werden. 

Diese Aspekte sind gegenüber einem Neubau mit eigenem Untergeschoss jedoch ganz entscheidend. Der Bau von Untergeschossen ist sehr energieaufwendig und sollte, wenn möglich, vermieden werden. Die Weiternutzung des bestehenden Parkhauses sparte daher graue Energie und wertvolle Ressourcen.

Mit Einschränkungen spielen

Obwohl die horizontale Gliederung im Kontrast zu Lamunières Gebäude steht, schaffen subtile Variationen wie die Höhe der Brüstungen oder Rücksprünge in den oberen drei Stockwerken eine visuelle Verbindung zwischen den beiden Gebäuden. Einige Bereiche des Bestands wurden in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten und konnten originalgetreu restauriert werden, darunter die Eingangshalle im Erdgeschoss, die den Bewohnenden aufgrund ihrer Grösse als Gemeinschaftsraum dient. 

In anderen Bereichen führten widersprüchliche Anforderungen des Denkmalschutzes und der aktuellen Bauvorschriften zu Konflikten. Um die Erdbebensicherheit zu gewährleisten, wurden die bestehenden Erschliessungskerne bis zum siebten Stockwerk ummantelt, wobei eine Schalung zum Einsatz kam, die den Wänden eine originalgetreue Oberfläche verleiht. Aus Brandschutzgründen mussten neue Treppenhäuser installiert werden, da die vorhandenen runden Treppenhäuser den aktuellen Fluchtweganforderungen nicht mehr entsprachen. 

Zudem wurden ein Aufzug und ein Lastenaufzug entfernt, um dort ein neues Treppenhaus mit Brandschutztür zu schaffen. Der Eingriff ist geschickt integriert, sodass der offene Charakter der Eingangshalle erhalten blieb. 

Aufgrund von Asbest und der Anpassung an die neuen Anforderungen mussten die Fassaden ausgetauscht werden. Die Denkmalpflege akzeptierte dies unter der Bedingung, dass die Metallkorridore und Geländer im Originalzustand erhalten blieben.

Dabei stellte sich die Herausforderung, diese Korridore als nutzbare Balkone für die Bewohnenden neu zu interpretieren. Um dies zu erreichen, wurden die Brüstungen erhöht, ein diskretes Metallgitter hinzugefügt, die Gitterroste verschmälert und eine Treppenstufe ergänzt.

Die Metallfenster wurden im Stil der damaligen Zeit erneuert, wobei moderne Verglasungstechnologien zum Einsatz kamen, welche den Energieverbrauch minimieren und die thermische Isolierung verbessern. Der Umbau wird 2025 fertig gestellt und die Erweiterung kann 2027 bezogen werden. 

Bei allen Arbeiten liessen sich Brauen Wälchli Architekten von Lamunières Ideen leiten. Dabei lösten sie sich ein Stück weit vom Bestehenden und stellten sich vor, was der Architekt hätte entwickeln wollen, aber aufgrund der Umstände vielleicht nicht realisieren konnte.  

In Bezug auf Nachhaltigkeit war einerseits die energetische Ertüchtigung des Bestands wichtig und andererseits die Weiternutzung der bestehenden Untergeschosse beim Neubau. Parallel wurden Räume verändert und nutzbar gemacht, die im Altbau nicht funktioniert hatten, wie zum Beispiel die begehbaren Metallkorridore.

Die Transformation zeigt, dass das Bauen im Bestand aus energetischer Sicht unerlässlich ist und das Potenzial in der Schweiz längst nicht ausgeschöpft. Gute Beispiele mehren sich jedoch und die Firmen werden besser darin; so wird Umbauen auch aus wirtschaftlicher Sicht attraktiver. Nach wie vor erfordert es viel Fingerspitzengefühl von allen Beteiligten, führt aber auch zu mehr Akzeptanz, da Geist und Form auf städtebaulicher- und Gebäudeebene fortgesetzt werden.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft Immobilien und Energie «Metamorphose: Aus Büros werden Wohnungen». Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem digitalen Dossier. 

Umbau und Erweiterung des AXA-Versicherungsgebäudes

Bauherrschaft: 
AXA Assurances représentée par AXA Investment Managers Suisse, Zürich 


Architektur: 
Brauen Wälchli Architectes, Lausanne


Totalunternehmen
HRS Rénovation, Genf


Energieversorgung
Wärmepumpe


Tragkonstruktion: 
Nicolas Fehlmann Ingénieurs Conseils, Genf


Bauphysik
Sorane, Lausanne


Fassadenplanung
BCS, Lausanne


Elektroplanung
Caeli Ingénierie, Carouge


Planungsphase
2018–2023


Ausführung: 
2025 Transformation, 
2026–2027 Erweiterung

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