Ei­ne Bauauf­ga­be mit Sym­bol­kraft

Campus Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main: selektiver Architektenwettbewerb

Wie kann die Architektur dabei helfen, die Funktion und Haltung der Deutschen Bundesbank zu vermitteln? Dieser schwierigen Aufgabe mussten sich die Architekten im Wettbewerb für den neuen Campus stellen. Ihre Beiträge zeigen verschiedene Ansätze im Umgang mit dem ­markanten Bestand aus der Nachkriegsmoderne in Frankfurt am Main.

Data di pubblicazione
10-09-2020

Die Erweiterung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main ist das grösste Bauprojekt seit ihrer Gründung 1968. Der neue Campus soll wichtige Weichen für die zukünftige Entwicklung der Institution stellen, und auch die Symbolkraft seiner Architektur spielt besonders in einer ­finanzpolitisch schwierigen Zeit eine grosse Rolle.

Die Bundesbank fällte 2016 die Entscheidung, ihre 5000 Mitarbeiter in einem neuen Campus am Standort der bestehenden Zentrale an der Wilhelm-Eppstein-Strasse in Frankfurt-Westend zu konsolidieren. Diese Entscheidung ist laut Ausloberin ein Bekenntnis zur Konti­nuität und Stabilität und hat eine symbolische Bedeutung. Das markante Ensemble der Nachkriegsmoderne von 1972, bestehend aus der 220 Meter langen Hochhausscheibe und dem viergeschossigen Hauptkassengebäude des Frankfurter Architekten Otto Apel, soll erhalten und kernsaniert werden.

Um Platz für alle Beschäftigten zu schaffen, soll der Bestand um ca. 100 000 m² erweitert werden. Neben neuen Büroräumen, einem Konferenz- und Logistikzentrum beinhaltet das Raumprogramm Nutzungen, die ohne Zugangskontrolle erreichbar sind, wie eine Kindertagesstätte, Sporteinrichtungen oder Gastronomie. Die Verbindung des neuen Campus mit der Stadt ist nicht nur dem Wunsch der Bundesbank geschuldet, aufgeschlossener und transparenter aufzutreten. Durch Belebung des öffentlichen Raums sollen positive Effekte für das gesamte Quartier entstehen. Dafür hat sich die Stadt Frankfurt in der Phase der Projektentwicklung stark eingesetzt.

«Raumbildung statt Objekthaftigkeit»

Um die Rahmenbedingungen für das grosse Bauvorhaben zu definieren, führte die Deutsche Bundesbank zusammen mit dem Baudezernat der Stadt Frankfurt 2018 einen städtebaulichen Gestaltungswettbewerb durch. Darin wurden die Platzierung und Verteilung der Baumassen und Nutzungen sowie der Stellenwert des Bestands im neuen Ensemble verhandelt. Das Konzept des Frankfurter Büros Ferdinand Heide Architekten überzeugte die Jury, weil es auf einen neuen Hochpunkt verzichtet und stattdessen auf eine Angleichung aller Neubauten mit der Höhe des Hauptgebäudes setzt. Die Anordnung der Neubauten bildet parkartige Aussenräume aus, die Aufenthaltsqualität versprechen. Anders als die gros­sen Geldinstitute der Stadt setze der Gestaltungsplan auf «Raumbildung und nicht auf Objekthaftigkeit».

Im darauf folgenden anonymen Architektenwettbewerb, der 2019 europaweit ausgeschrieben wurde, ­kamen nach einer Präqualifikationsphase 30 deutschsprachige Teams zum Zuge, darunter auch zwei Schweizer Büros aus Basel: das Gewinnerteam von Morger Partner Architekten und das im ersten Rundgang ausgeschiedene Team von Christ & Gantenbein.

Einer der Schwerpunkte der Diskussionen bei der Beurteilung der eingereichten Entwürfe betraf die städtebauliche Vorgabe des Masterplans. Wie genau müssen die Büros sich daran halten, und welche alternativen Überlegungen sollen zugelassen werden?

Die Mehrheit der eingereichten Arbeiten hielt sich sehr genau an die Vorlage des Masterplans, die im Wesentlichen aus drei senkrecht zum Hauptgebäude angeordneten Hochhausscheiben bestand. Unter die sechs Preisträger schafften es drei Arbeiten mit diesem Layout: der monumentale Entwurf von KSP Jürgen Engel Architekten aus Frankfurt am Main auf Platz zwei und die Arbeiten von Wittfoht Architekten aus Stuttgart und RKW Architektur aus Düsseldorf auf die Plätze vier und fünf. Doch ein Muss war die konkrete Setzung des Masterplans anscheinend nicht, denn die weiteren drei Preisträger, da­runter auch der Gewinner, wichen davon ab. Laut der Jury schärfte die Unterschiedlichkeit der Projekte in den Diskussionen den Blick für die bestmögliche stadträumliche Lösung und den angemessenen Umgang mit dem Bestand.

Gegen­gewicht zum Bestand

Auch Arbeiten, die nicht in die engere Auswahl kamen, halfen, den Fokus auf die Grundidee des Masterplans zu schärfen. Die Vorschläge der Büros Christ & Gantenbein und Vielmo Architekten, der bestehenden Zentrale der Bundesbank eine zweite Megascheibe entgegenzusetzen, wurden zwar als eine klare Lösung gewürdigt, widersprachen jedoch zu stark dem Bestreben des Masterplans, den Bestand durch den Neubau nicht zu dominieren.

Gleichwertige Partner

Eine weitere Alternative zum Masterplan zeigte der drittplatzierte Entwurf von Schenker Salvi Weber Architekten mit Franz und Sue Architekten aus Wien. Anstatt den Bestand durch drei senkrechte Zeilen zu rahmen, schlagen die Architekten nur zwei Hochhausscheiben vor, von denen eine parallel zum Hauptgebäude angeordnet ist. Zusammen mit der bestehenden Bundesbankzentrale umschreiben die Neubauten ein grosszügiges internes Areal. Dadurch wirken der Bestand und die Erweiterung wie gleichwertige Partner. Eine ähnliche Setzung, jedoch mit schmaleren und längeren Volumen, schlug das Team von Max Dudler Architekten aus Berlin vor und wurde dafür mit einer Anerkennung gewürdigt.

Harmonische Rahmung

Eine ausgewogenere Verteilung der Baumassen erreichten der Vorschlag auf dem vierten Platz von Ortner & Ortner Baukunst aus Berlin und das Gewinnerprojekt von Morger Partner Architekten. Beide schlugen im Unterschied zum Masterplan drei ­iden­tische Hochhausscheiben vor. Aufgrund der unterzubringenden ­Büroflächen wurden die Büroscheiben des Viertplatzierten jedoch zu tief für gut belichtete Büroarbeits­plätze. Zudem blieb durch die Verkürzung der langen Scheibe der Aussenraum nach Westen offen und undefiniert, was die Jury bemängelte.

Das Gewinnerprojekt, das einstimmig mit dem ersten Preis ausgezeichnet und zur Realisierung empfohlen wurde, überzeugt hingegen auf der typologischen wie auch auf der stadträumlichen Ebene. Die identischen Hochhausscheiben bleiben hier 17.5 m schlank. Gegenüber der Hauptkasse setzen die Architekten ein neues viergeschossiges Volumen mit Innenhof, das ein gleichwertiges Gegengewicht zum Bestand ausbildet und den Freiraum nach Westen abschliesst. Die Typologie des Hofgebäudes erlaubt aus­serdem eine andere Art von Arbeitsräumen als die Dreibundanordnung der Büros in den Hochhausscheiben. Die Jury würdigt den klaren «Drei­klang» des neuen Ensembles, im Norden die drei identischen Scheiben, in der Mitte die zwei niedrigeren Bauten des Hofgebäudes und der Hauptkasse und im Süden – als Rückgrat – das lange Scheibenhochhaus der Zentrale. Als sehr gelungen bewertete die Jury die Lösung für die Eingangssituation. Hier fügen die Architekten einen eingeschossigen Pavillon ein, der die Schwelle zwischen dem öffentlich zugänglichen und dem kontrollierten Bereich des Campus klar definiert. Zur Wilhelm-­Eppstein-Strasse wird zusammen mit den öffentlich zugänglichen Bauten der Sport- und Kindertagesstätte ein schön dimensionierter Vorplatz formuliert, der die Adresse des neuen Campus bildet.

Differenziertheit statt starrer Monumentalität

Das Gewinnerprojekt überzeugte die Jury nicht nur durch seine klare räumliche Gliederung und hohe ­Flächeneffizienz. Auch das Thema der Nachhaltigkeit wird durch eine Holzhybridbauweise und das Cradle-to-Cradle-Prinzip überzeugend gelöst. Unter den eingereichten Entwürfen war das Projekt von Morger Partner Architekten auch eines der wenigen, die keine generische Fassadengestaltung aufweisen, sondern auf eine klar differenzierte Ausformulierung der einzelnen Gebäude setzen. Die Glasfassaden mit vorgehängter filigraner Metallkonstruktion bilden einen spannenden Kontrast zur massiven Betonstruktur des Bestands. Die Architekten berufen sich im gewählten Ausdruck auf Bauten von Egon Eiermann, die auch die Stadt Frankfurt bauhistorisch geprägt haben.

Die Gestaltung der einzelnen Volumen liesse es nach Ansicht der Jury zu, die einzelnen Bausteine unabhängig voneinander zu realisieren und sogar ihre Ausführung an unterschiedliche Büros zu vergeben. Ob der gelobte harmonische Ausdruck des Campus als Gesamtensemble dann weiterhin aufrechterhalten werden kann, bleibt somit noch offen.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Preis: Arbeit 320
Morger Partner Architekten, Basel; Mettler Landschaftsarchitektur, Berlin; wh-p Ingenieure, Basel; Drees & Sommer Advanced Building Technologies, Köln; hhp Berlin Ingenieure für Brandschutz, Niederlassung Braunschweig; Professor Dirk E. Hebel, Karlsruhe
2. Preis: Arbeit 310
KSP Jürgen Engel Architekten, Frankfurt am Main; Ingenieurbüro hausladen, München; hhp Berlin; Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München, Bernburg, Berlin; WHP Weischede Herrmann und Partner, Stuttgart, Berlin, Basel
3. Preis: Arbeit 309
Schenker Salvi Weber Architekten, Wien; Franz und Sue, Wien; Normaen A. Metzger, Langen
4. Preis: Arbeit 325
Ortner & Ortner Baukunst, Berlin; RSP Remmel + Sattler, Frankfurt am Main; HTW Ingenieurgesellschaft, Berlin; ST raum a. Ges. von Landschaftsarchitekten, Berlin
5. Preis: Arbeit 312
Wittfoht Architekten, Stuttgart; Breinlinger Ingenieure Hochbau, Stuttgart, Tuttlingen; Bobran Ingenieure, Stuttgart
6. Preis: Arbeit 324
RKW Architektur, Düsseldorf; R & P Ruffert; Görtzen Stolbrink & Partner, Kalkar; Ingenieurbüro Jung, Klein­ostheim
Anerkennung: Arbeit 316
Max Dudler, Berlin; Pichler Ingenieure, Berlin
Anerkennung: Arbeit 328
Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten, Berlin; GSE Ingenieur-Gesellschaft, Berlin; Alhäuser + König Ingenieurbüro, Hachenburg; Vogt Landschaft, Berlin

FachJury

Prof. Jose Gutierrez Marquez, Architekt, Berlin; Günter Hoffmann, Architekt, Berlin; Brigitte Holz, Architektin und Stadtplanerin, Berlin/Darmstadt; Prof. Ulrike Lauber, Architektin, Berlin/München; Prof. Arno Lederer, Architekt, Stuttgart; Sonja Moers, Architektin und Stadtplanerin, Frankfurt am Main; Christine Steimle, Architektin, Stuttgart

SachJury

Dr. Johannes Beermann, Mitglied des Vorstands Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main; Prof. Dr. Jens-Uwe Fischer, Universität Leipzig; Mike Josef, Planungsdezernent Stadt Frankfurt am Main; Guido Müller, Leiter des Bereichs Bau Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main; Diana Rutzka-Hascher, Leiterin des Zentralbereichs Personal Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main; Prof. Sophie Wolfrum, Urbanistin, München

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