Bun­te Zau­ber­burg

Die Siedlung Hornbach in Zürich-Seefeld ist das grösste kommunale Wohnbauprojekt der letzten Jahre. Die von Knapkiewicz & Fickert Architekten realisierten Bauten zeigen, wie eine höhere Dichte städtebaulich und sozial verträglich sein kann.

Data di pubblicazione
03-06-2021

Das Züricher Seefeld zählt zu den beliebtesten Wohnquartieren der Stadt und zugleich auch zu den teuersten. Heute ist es hochgradig gentrifiziert. Nichts erinnert daran, dass vor drei Jahrzehnten neben den seeseitigen Villen und repräsentativen Firmensitzen globaler Unternehmen entlang der Dufourstrasse ein Drogenstrich existierte. Auch die übrige Bewohnerschaft war früher heterogener: Arbeiterfamilien, Einwanderer, Studenten und Senioren bildeten einen beinahe idealtypischen urbanen Mix aus verschiedenen sozialen Schichten und Lebensformen.

In den 90er-Jahren begann eine bis heute anhaltende Sanierungswelle, die oft mit «Leerkündigungen» einhergeht. Bewohnerinnen und Bewohner mit niedrigerem Ein­kommen mussten so das Quartier verlassen. Heute können sich überwiegend Angehörige der oberen Einkommensklasse eine Wohnung im Seefeld leisten. Neben den Anwohnenden wurden auch viele kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe, die früher das Quartierbild prägten, verdrängt.

Städtische Siedlung als Mittel gegen die «Seefeldisierung»

Der Prozess von sozialer Entmischung gab den Anstoss für den Bau einer neuen städtischen Siedlung im Seefeld. Rückenwind gewann das Vorhaben auch durch die 2011 mit grosser Mehrheit angenommene Volksinitiative für mehr gemeinnützigen Wohnraum, dessen Anteil bis 2050 auf ein Drittel steigen soll.

Vor diesem Hintergrund scheint die im Februar 2021 fertiggestellte Siedlung an der Hornbachstrasse in vielerlei Hinsicht ein Modellprojekt zu sein. Die 125 städtischen Wohnungen, überwiegend für Familien, Gewerbeflächen und Einrichtungen für Kinderbetreuung, sind ein Mittel der Stadt, um gezielt soziale und programmatische Diversität zu fördern.

Das architektonische Projekt von Knapkiewicz & Fickert Architekten – das von der Jury des einstufigen selek­tiven Wettbewerbs von 2012 als ein fundamentales Lehrstück zum Thema Wohnen in der Stadt beschrieben wurde – zeigt architektonische Techniken zum Aufbau einer städtebaulichen Massstäblichkeit, mit denen eine höhere Dichte im gewachsenen Umfeld verträglich gestaltet werden kann.

Fremd und vertraut zugleich

Wie eine Zauberburg erhebt sich die Überbauung über dem Pavillon des Chinagartens in der Parkanlage am Zürichhorn. Dachaufbauten in Form von Türmchen, Erker und bunt verglaste Loggien bilden eine fantasievolle Alternative zu sonst von langweiliger Schlichtheit dominierten Fassaden mancher Neubauten in der Stadt.

Gekonnt und spielerisch schliessen die Architekten an bestehende städtebauliche Typologien des Quartiers an und heilen damit eine wunde Stelle im Stadtgefüge, wo früher ein Werkhof und ein Provisorium für Kinderbetreuung verloren im lärmbelasteten, ungenutzten Grünraum standen. Auf dem nördlichen Grundstück vervollständigt die sechsgeschossige Überbauung das bestehende Blockrandfragment zu einem Hof. Im Süden umfasst ein Zeilenbau einen schmalen Gartenraum.

Seine nach Süden geschossweise abgestufte Volumetrie schafft einen städtebaulichen Übergang zur zweigeschossigen Reihenhaussiedlung an der Heimstrasse. Zur Seefront hingegen ragt die Überbauung hoch empor und etabliert eine neue Grösse, die neben den von Gärten umgebenden Villenbauten entlang der Bellerive­strasse mit ihrer kräftigen Präsenz aus der Reihe tanzt.

Auch die satten Ockerfarbtöne der Fassade setzen ein Statement in der sonst eher zurückhaltenden Farbigkeit der Umgebung. Die Wahl der Farbe mag Geschmackssache sein, in ihrer gezielten Abstufung ist sie jedoch ein weiteres wichtiges Mittel zum Aufbau von Massstäblichkeit. Es sind nicht nur differenzierte Volumen entstanden, sondern vor allem neue Räume, die in ihrer Vielfalt eine dichte Collage an vertrauten urbanen Situationen aus Platz, Hof, Garten und Strasse schaffen.

Monumentaler Vorplatz als Tor zum Quartier

An der Mündung der Hornbachstrasse bilden die zurückversetzten Gebäudevolumen mit symmetrischen Eckrisaliten einen Vorplatz als Auftakt zum Quartier. Im Wettbewerb schlugen die Architekten einen Torbau als Abschluss der Quartierstrasse vor. Damit wollten sie ein Erlebnis von Enge und Weite in Analogie zu den Altstadtgassen in Lissabon, die in die Praça do Comércio münden aufbauen.

Der Torbau ist jedoch aufgrund baurechtlicher und finanzieller Auflagen weggefallen. Die übrig gebliebenen, durch die Quartierstrasse geteilten Platznischen bilden zwar eine erhabene räumliche Geste, die exponierte Lage an der Bellerivestrasse verspricht jedoch wenig Aufenthaltsqualität. Ob die noch jungen Bäume diesen Zustand positiv beeinflussen können, muss sich noch zeigen.

Die Fassadenfront zur Bellerivestrasse, die im Wettbewerb noch eine doppeldeutige Collage aus klassischen und modernen Elementen bildete, hat in der Überarbeitung an spannender Widersprüchlichkeit etwas eingebüsst. Die zusammengefassten Fenster­bänder wurden durch stehende Formate ersetzt, der abstrakte Fassadenabschluss wich einem dreifach abgestuften Gesimsband, und die doppelgeschossige Fensterordnung entlang der Strasse wurde am Vorplatz mit Kolossalpilastern eingekleidet. Für die Differenzierung der sonst schon gut gegliederten Volumen hätte es diese historisierend anmutenden Elemente nicht unbedingt gebraucht.

Eine Bereicherung für den öffentlichen Raum sind die vielen publikumsorientierten Nutzungen im Erdgeschoss, die dem Passanten ein lebendiges Erlebnis beim Schlendern in kleinen Quartiergeschäften versprechen. Auch der abgerissene Werkhof der Grünstadt Zürich hat hier sein neues Zuhause gefunden. Weitere Gewerberäume sind in den Obergeschossen um den Vorplatz angeordnet.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 17/2021 «Günstig wohnen trotz teurer Lage?»

Bauherrschaft: Stadt Zürich

 

Architektur: Knapkiewicz & Fickert Architekten

 

Landschaftsarchitektur: Ryffel + Ryffel, Büro für Garten- und Landschafts­architektur

 

Programm: 125 Wohnungen, 2–5 ½-Zimmer-Wohnungen, 2 Clusterwohnungen, ­Gewerbe, Gemeinschaftsraum, Werkhof, Kita und Betreuung

 

Bauzeit: Ende 2017 – Februar 2021

 

Arealgrösse: 9500 m²

 

Ausnutzung: 216 %

 

Baukosten: Kosten gem. Objektkredit inkl. Kreditreserven, inkl. Landkosten (inkl. MwSt.): 100.7 Mio. Fr.

 

Erstellungs­kosten gem. Objektkredit inkl. Kredit­reserven (inkl MwSt.): 95.75 Mio. Fr.

 

Anlagekosten / Fläche HNF: 4858 Fr./m² ohne Garage

 

Kostenplanung / Bauleitung: GMS Partner, Zürich

 

Mietpreis: 4 ½ Zimmer-Wohnung, 1580–1739 Fr., subventioniert 1372–1465 Fr.

 

Durchschnittlicher Mietpreis einer 4 ½-Zimmer-Wohnung im Seefeld: ca. 3700 Fr.

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