«Wir zei­gen un­se­ren tol­len Be­ruf und die gros­sar­ti­gen Frauen, die ihn au­sü­ben»

Data di pubblicazione
16-12-2021

Die Ausstellung «Queens of Structure» zeigt – auf leuchtend gelben Plakaten – zwölf Frauen, die mit ihren Projekten die weitgefächerten Tätigkeits- und Themenfelder des Bauingenieurwesens repräsentieren und mit ihren Positionen die Vielfalt der Herausforderungen und individuellen Herangehensweisen darin sichtbar machen. Die Protagonistinnen begeistern mit ihrer Leidenschaft für ihre Profession und agieren mit grosser Selbstverständlichkeit in einem männlich geprägten Be­rufsfeld. TEC21 hat mit Nicole Zahner, einer der Initiatorinnen, über die Ausstellung gesprochen.

Frau Zahner, die Ausstellung «Queens of Structure» stellt Bauingenieurinnen und ihre Projekte vor. Sind Sie der Meinung, dass Bauingenieurinnen zu wenig sichtbar sind?

Nicole Zahner: Teilweise sind wir sogar doppelt unsichtbar. Oft werden nicht nur unsere Beiträge nicht wahr­genommen, sondern die Leistung der Profession insgesamt bleibt verborgen. Bei einem ansprechenden Bauwerk sind die Architektinnen und Architekten in der Regel bekannt. Das Tragwerk sieht man nach der Fertigstellung aber zumeist nicht mehr und die Ingenieurin dahinter erst recht nicht. Wir müssen uns fragen: Wie zeigen wir unsere Arbeit?

Die Ingenieurinnen sind also selbst in der Pflicht?

Teilweise schon. Sie sollten ihre Arbeit definitiv offensiver in die Öffentlichkeit tragen. Dabei geht es nicht nur um die Kreativität, die erforderlich ist, um ein angemessenes Tragwerk zu entwickeln, sondern auch um die Verantwortung für die Menschen und die Umwelt, die wir mit jedem einzelnen Projekt übernehmen. In der Ausstellung richtet sich der Fokus auf zwölf Bauingenieurinnen und macht sie zu Königinnen. Sie sind eine der Initiatorinnen.

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Wie wurden Sie zur Ingenieurinnensammlerin?

Aus privatem Interesse. Ich besuchte mit Freundinnen die Wanderausstellung «Visionäre und Alltags­helden». Es ging um Erfinder, Ingenieure, Unternehmer und Gestalter. Doch wir haben uns Frauen nicht wiedergefunden. Schlussendlich gab ein Artikel der Historikerin Dr. Margot Fuchs im Ausstellungskatalog den Ausschlag dazu, aktiv zu werden.

Inwiefern?

Im Gespräch mit ihr kristallisierte sich heraus, dass es ein Pendant zum historischen Ansatz braucht. Unsere Intention ist es, mit «Queens of Structure» einerseits die Breite des Bauingenieur­wesens heute zu zeigen und andererseits die Vielfalt der Frauen, die den Beruf ausüben.

Wie haben Sie die Frauen gefunden, die vorgestellt werden?

Durch persönliche Kontakte und Empfehlungen kamen wir mit vielen beeindruckenden Frauen ins Gespräch. Daraus haben wir eine möglichst vielfältige Palette zusammengestellt. Wir fanden zwölf Ingenieurinnen, die in der Tragwerksplanung, im Brückenbau, im Tiefbau oder im Projektmanagement Herausragendes leisten. Die Auswahl entstand mit subjektivem Blick, ist aber doch in gewisser Weise repräsentativ.

Sie adeln die Ingenieurinnen und bezeichnen sie als «Queens». Für Inge­nieure und Ingenieurinnen ist im Allgemeinen eine gewisse Zurückhaltung charakteristisch. Wie haben die Frauen reagiert?

Mit «Queens of Structure» wurde ein Titel gewählt, der auch ein Schmunzeln hervorrufen möchte. Denn von Frauen wird oft behauptet, dass sie Teamplayerinnen sind und im Hintergrund bleiben. Dies sind beides keine Eigenschaften, die man mit Königinnen in Verbindung bringt. Wir verwenden den Begriff «Queens» im Sinn von leuchtendem Vorbild. Junge Frauen, die sich für den Beruf ­interessieren, sollen Role Models haben können, an denen sie sich orientieren oder gegen die sie sich auch positionieren können.

Gibt es Unterschiede darin, wie die Ingenieurinnen mit ihrer Aussenseiterrolle im Beruf umgehen?

Ja, eindeutig. Die Spanne reicht von der Einstellung, sich möglichst im Berufsumfeld zu assimilieren, bis zur totalen Ablehnung dessen; einige sind an der gläsernen Decke gescheitert, eine andere wurde Rektorin der ETH Zürich. Häufig sind Ingenieurinnen die einzigen Frauen im Team oder die einzige Bauingenieurin in einem Bekanntenkreis. Sie haben deshalb eine Sonderstellung und werden trotzdem leider häufig übersehen.

Die Plakatausstellung wurde im Juni 2021 in Berlin gezeigt. Zudem kann man die Frauen und ihre Arbeit auf einer Website kennenlernen. Gab es bereits Feedback?

Wir haben viele begeisterte Rückmeldungen bekommen. Das spornt uns an. Die nächste Idee ist nun, mit der Ausstellung zu reisen – auch in die Schweiz. So wird die Ausstellung voraussichtlich im Spätsommer 2022 in Basel und im Herbst in Rapperswil zu sehen sein. Wir werden sie dabei um schweizerische Protagonistinnen erweitern. Auch das Netzwerk «Frau und SIA» hat Interesse angemeldet. Die Ausstellung deckt sich mit dem Ziel des Netzwerks, Ingenieurinnen in der Schweiz sichtbarer werden zu lassen.

Was erhoffen Sie sich von der breiteren Sichtbarkeit der Ausstellung?

Es ist uns wichtig, unseren tollen Beruf zu zeigen und junge Frauen zu motivieren, ihn ebenfalls zu ergreifen. Das Bauingenieurwesen steht vor grossen Herausforderungen und hat die Möglichkeit, auf technologischer Ebene einen grossen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dies kann nur gelingen, wenn wir die Besten für unseren Beruf gewinnen.

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