Die Grenzen der Kreisläufe
Aus alten Bauteilen lassen sich neue Gebäude konstruieren. Doch wirtschaftlich und rechtlich läuft das Reuse-Prinzip noch nicht rund. Das zirkuläre Bauen steht erst am Anfang, verdeutlichte das Schweizer Bauforum.
Der Nebel beim klimagerechten Bauen scheint sich zu lüften. Es braucht nicht nur für die Energieversorgung, sondern auch für Baustoffe viel mehr Ressourcen aus erneuerbaren oder nachwachsenden Quellen. «Die Materialverfügbarkeit ist für den Immobiliensektor die nächste Herausforderung», eröffnete Markus Schmidiger, Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern, das diesjährige Schweizer Bauforum. An dieser gemeinsam mit dem Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) organisierten Veranstaltung sprachen Fachleute aus verschiedenen Disziplinen über das «kreislaufgerechte, zirkuläre Bauen».
Nicht nur die zahlreichen Investorenvertreter, Fachplanerinnen und Architekten im Publikum gehen davon aus, dass die Kreislaufwirtschaft einen grossen Beitrag an den Klimaschutz und zur Abfallvermeidung leisten kann. Es spricht sich nämlich immer mehr herum, wie gross der Anteil der baulichen Substanz und der Materialisierung am CO2-Fussabdruck von Häusern ist.
Zwar war über quantitative Einspareffekte wenig zu erfahren. Aber auch so erklärten die Rednerinnen und Redner am Bauforum, wie die Kreislauf-Hierarchie zu funktionieren hat. «Wer klimagerecht bauen will, vermeidet so viele Abfälle möglich», erklärte Claudia Lüling, Mitarbeiterin beim deutschen Architekten Werner Sobek.
Reversible Fügung
Beim Entwerfen von kreislauffähigen Gebäuden seien ein paar Prinzipien zu beachten, betonten Lüling und nachfolgende Referenten. Wenig überraschend beginne der Sinneswandel bei der Stärkung der Dauerhaftigkeit: «Ein Gebäude muss flexibel nutzbar und architektonisch wandlungsfähig sein.» Die Bauteile sind dafür trennbar und reversibel einzufügen.
Und beim Material ist auf die Fähigkeit zum stofflichen Recycling zu achten. Was ebenfalls hilft: Um ein Gebäude am Ende seines Lebenszyklus möglichst klimabewusst zu demontieren, braucht es «Materialpässe», bestätigt Ivo Angehrn von Drees & Sommer. Diese sind in BIM-Modelle integrierbar und vermitteln künftigen Generationen, was genau verbaut wurde.
So erfreulich die Vielzahl an Möglichkeiten ist, heute schon kreislauffähig zu konstruieren, umso ernüchternder wirken die Hemmnisse für die praktische Umsetzung. Martin Steinmann, Senn Technology, wies darauf hin, dass «ein vollständiger Verzicht auf schlecht rezyklierbare Verbundstoffe derzeit unmöglich ist». Steinmann ist Bauherrenvertreter bei einem Verwaltungsgebäude, das mit möglichst wenig grauer Energie erstellt werden soll. Ein solches Vorhaben gelte bereits als innovativ, weshalb man sich ausserhalb von Standardprozessen bewege, so sein Zwischenfazit.
Kerstin Müller von der Firma Zirkular ist die erste Kreislauf-Fachplanerin der Schweiz und stösst ihrerseits an Grenzen, wenn bestehende Bauteile wiederverwendet werden sollen: «Grosse Mühe können die Organisation und die Logistik verursachen.» So führe die steigende Nachfrage zum Kampf um diese Recycling-Ressource. Von Vorteil sei, wenn Bauherrschaften die Reuse-Materialien aus dem eigenen Immobilienportfolio beziehen könne.
Viele Zusatzverträge
Noch eingehender untersucht Oliver Streiff, Dozent an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, den rechtlichen Rahmen für eine Wiederverwendung von Bauteilen aus dem kontrollierten Gebäuderückbau. «Neue Akteure und alternative Lieferwege sind baurechtlich relevante Angelegenheiten, wofür Zusatzverträge abzuschliessen sind. Unter anderem sind darin Fragen zu Verantwortlichkeit und Produktehaftung zu klären. Im nächsten Jahr werde die Hochschule dazu eine Empfehlung herausgeben.
Last but not least: Auch die Kosten des zirkulären Bauens gaben am Schweizer Bauforum zu reden. Auch hierzu waren keine detaillierten Mehrkosten in Erfahrung zu bringen. Kerstin Müller bestätigte jedoch, dass ein Zusatzaufwand für Planung und Bau jeweils in Kauf zu nehmen sei. Diesbezüglich erinnerte Jürgen Volm, Pom+Consultig, daran, dass das CO2 derzeit keinen monetären Wert besitze.
«Wer zirkulär baut und Bauteile wiederverwendet, darf deshalb nicht mit einem finanziellen Return-on-Invest rechnen.» Ob sich dies ändert, sei ungewiss. Doch vielleicht ändern sich die Rahmenbedingungen, wenn ein Standard für das kreislaufgerechte Bauen entwickelt werde? Das Schweizer Bauforum schloss daraus: «Das zirkuläre Bauen benötigt noch mehr politischen Support.»
Die Referate zum Nachlesen gibts hier.