Vom Ele­fan­te­n­haus zum Ele­fan­ten­park

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich die Hülle für einen neuen Lebensraum.

Data di pubblicazione
04-06-2014
Revision
18-10-2015

Der Kaeng-Krachan-Elefantenpark im Zoo Zürich löst das Elefantenhaus von 1971 ab. Wie die Jury des Architekturwettbewerbs festhielt, sollte der ursprüngliche Lebensraum der Elefanten darin landschaftlich so nachgebildet werden, dass die Besucher europäische Konstruktionselemente möglichst nicht wahrnehmen und dass die Architektur einen Kontrast zur umgebenden Landschaft vermeidet. Ein Blick auf das Raumprogramm verdeutlicht, welche Schwierigkeiten damit verbunden waren: Gefordert wurde ein Innenbereich von rund 6000m2 – etwa die Hälfte der benachbarten Masoala-Halle – mit einer lichten Höhe von 18m. Und dieses Gebäude sollte quasi unsichtbar sein oder zumindest in Einklang mit der Landschaft stehen.

Das Team um Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau hat das zweistufige Wettbewerbsverfahren zweifellos auch deshalb gewonnen, weil es auf diese zentrale Fragestellung eine ebenso überzeugende wie eigenständige Antwort gefunden hat. Die an einen riesigen Schildkrötenpanzer gemahnende Dachschale bildet in Kombination mit der selbstverständlich ins Gelände eingepassten Aussenanlage ein Ensemble von hoher Prägnanz. Dabei ergänzen sich die beiden Teile vorteilhaft und spielen gekonnt mit den Widersprüchen, die dem Bauen für den Zoo seit je innewohnen: Während die künstliche Landschaft gerade wegen ihres ausgeprägten Realismus hochgradig artifiziell, wie ein Bühnenbild wirkt, oszilliert die Architektur der Innenanlage zwischen Struktur und gebauter Naturkulisse.

Hölzerne Dachschale

Das von Weitem sichtbare, raumprägende Element des Elefantenparks ist der überwölbte Innenbereich mit einer Spannweite von rund 80m. Für das hochkomplexe Tragwerk aus Holz haben die Architekten eine frei geformte Schale über nahezu kreisförmigem Grundriss entwickelt. Sie nutzen die geometrischen Freiheiten einerseits dazu, den Rand an verschiedenen Stellen wie den Eingängen gezielt aufzuwölben. Andererseits lösen sie die Dachfläche in eine netzartig anmutende Struktur auf. Damit ergibt sich ein Öffnungsanteil von gut 30%, der für das Pflanzenwachstum und das Wohlbefinden der Elefanten notwendig ist. Zudem erfüllen sie den Anspruch einer «unsichtbaren» Architektur, die sich mit der Landschaft verbindet.

Sie erreichen dies selbstbewusst nicht mit einem topografischen Ansatz, sondern mit einer letztlich klar architektonisch definierten Form. Gleichwohl wirkt das Dach von aussen wegen der puzzleartigen Eindeckung mit unbehandelten Furnierschichtholzplatten in einem abstrakten Sinn natürlich. Der Unterschied wird klar im Vergleich zur Masoala-Halle – dort sind die transparenten ETFE-Kissen, die beim Elefantenpark ebenfalls Verwendung finden, zu 100% sichtbar. Die Aufständerung der verkleidenden Schicht aus Holz verhindert, dass die Kissen aus der Silhouette hervorstehen. Dank diesem Kniff erscheint das Konstrukt nicht als Gewächshaus. Vollends zum Gebäude wird die Überdachung, weil die Schale vom Boden abgehoben ist und eine zurückversetzte, in eine hölzerne Lamellenstruktur aufgelöste Glasfassade aufweist. 

Im Innern funktioniert die beabsichtigte Symbiose von Architektur und Natur noch besser, vor allem im Gegenlicht. Dann verbindet sich die durch viele Öffnungen unterteilte Dachuntersicht mit den grossblättrigen Pflanzen der Halle und wirkt wie ein abstrahiertes Blätterdach. Das Holz der sichtbar belassenen Tragstruktur leistet seinen Beitrag ebenso wie die rohe Perforation der Schale: Die Oblichter wurden vor Ort mittels Kettensägen herausgearbeitet, weshalb sie teilweise ausgefranste Kanten und leicht unregelmässige Schnittflächen aufweisen. Dieses beinahe archaische Moment als Teil des Bauprozesses steht in spannungsreichem Kontrast zur hochgradig technisierten, nur dank der computerbasierten Parametrisierung plan- und berechenbaren Form.

Exotismen und Authentizität

Der Neubau erinnert tatsächlich kaum an Architektur im Sinn von «Haus», sondern verbindet sich mit der gebauten Landschaft. Dies im Unterschied zur sogenannten Lodge und zum Kiosk, deren Gestaltung als separates Los vom Zoo vergeben wurde. Beide Bauten stehen in deutlichem Kontrast zum Rest der Anlage, nicht primär, weil der Kiosk mit seiner völlig falschen Platzierung den Haupteingang verstellt und die Lodge mit einer Rückwand versehen wurde, die die Blickverbindung zwischen Aussen- und Innenbereich verhindert, sondern ihrer architektonischen Sprache wegen.

Wie die Bezeichnung «Kaeng Krachan» andeutet, bezieht sich die landschaftliche Gestaltung des Elefantenparks und das Storyboard für das Info- und Edutainment auf den gleichnamigen Nationalpark in Thailand. Die aktuelle Mensch-Tier-Problematik bezüglich der Asiatischen Elefanten wird somit thematisiert. Die beiden Kleinbauten verströmen zusammen mit den übrigen «thailändischen» Versatzstücken einen Hauch von Exotik am hinteren Zürichberg.

Die Faszination für das Fremde gehört von Beginn an zur Geschichte der zoologischen Gärten. Ein berühmtes Beispiel ist die exotische «Elefantenpagode» des Berliner Zoos von 1873, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Architekten Ende und Böckmann schufen ein mit bunten Mosaikbildern reich verziertes Gebäude, dessen turmartige Aufbauten an indische Tempel erinnern sollten. Der Hauptgrund für die extravagante Formensprache war finanzieller Natur: Der Betreiber, eine Aktiengesellschaft, erhoffte sich durch die Erstellung von exotischen Grossbauten den dringend benötigten Besucheraufschwung. 

Im Zoo Zürich wurden alle Bauten von Beginn an in einem funktional-sachlichen Stil errichtet, was mit dem Zeitpunkt der Eröffnung von 1929 und den damaligen Zooarchitekten Adolf Steger und Karl Egender zusammenhängt. Die exotische Phase im Zoo Zürich ist ein neues Phänomen, das mit dem Katzenhaus für die Indischen Löwen 2006 einen ersten baulichen Niederschlag fand. Beim Elefantenpark beschränkt sich der Exotismus auf die szenografischen Bauten. Die Umgebungsgestaltung und die Architektur dagegen sind als ganzheitliche Naturkonstruktion entworfen.

Gebaute Landschaft

Zooanlagen sind immer gebaute und somit inszenierte Landschaften. Wie im Theater gilt es mittels kulissenartiger Elemente eine Stimmung zu erzeugen. Wichtig sind dabei definierte Blickachsen und die Vermeidung von «Cross Viewing» – die Besucher sollen sich möglichst nicht gegenseitig sehen, sondern nur die Tiere im landschaftlichen Umfeld. Das Ziel einer solchen «Habitat Immersion»-Anlage, wie sie vom Zoo gewünscht wurde, besteht darin, die Besuchenden möglichst umfassend in den Lebensraum der Tiere einzubeziehen. Zudem galt es, den Elefantenpark aufgrund des heutigen Wissens über artgerechte Haltung nach dem Prinzip «Protected Contact» auszulegen.

Gab es beim alten Elefantenhaus einige wenige Tore, sind es in der neuen Anlage rund 40, die wie die auf dem ganzen Areal verteilten Futterstellen elektronisch steuerbar sind. An diesem Detail wird deutlich, wie komplex die funktionalen Abläufe sind. Die Übersetzung der räumlichen Verbindungen der einzelnen Bereiche von Tieren, Besuchenden und Pflegenden kommt einer ausgeklügelten Matrix gleich. Hier hat Lorenz Eugster mit seinem schlüssigen Konzept für die Landschaftsarchitektur und der Gliederung der Aussen- und Innenanlage wesentlichen Anteil am Gelingen des Projekts.

Die Einbettung ins Terrain erfolgt über eine geschickte Terrassierung: Eine rund 300m lange künstlich modulierte Nagelfluhwand bildet den oberen Abschluss und Auftakt der Anlage, denn die Mehrzahl der Besuchenden kommt von oben in den Erweiterungsteil des Zoos. Eine zusätzliche Felsstufe trennt den separaten Kuh-Kalb-Bereich vom Rest des weitläufigen Aussenbereichs. Ein Wasserfall inszeniert die Höhenstaffelung und speist die verschiedenen Wasserbecken. Im Innenraum können die Elefanten ebenfalls baden. Hier ist der Unterwasserbereich für die Besuchenden gar über eine grosse Panzerglasscheibe frei einsehbar. Verschiedene Baum- und Pflanzengruppen sowie Geländemodulierungen gliedern den Innen- wie Aussenbereich. Über die Wahl immer grossblättriger und feiner gefiederter Bäume und Pflanzen führen die Landschaftsarchitekten den Mischwald des Zürichbergs fort und transformieren ihn allmählich in eine dem thailändischen Nationalpark verwandte Stimmung. Zahlreiche Totholzbäume dienen den Elefanten zur Hautpflege. Einige Bäume erweisen sich beim genauen Hinsehen als künstliche Futterstellen. Der Übergang zwischen natürlichen und künstlichen Elementen ist fliessend; die Imitation echt anmutenden Nagelfluhgesteins wird mittels Kratzbeton, gezielt in die Schalung eingelegten grösseren Steinen und Farbe erreicht.

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