Per­fek­tio­nier­ter Mi­ni­ma­li­smus

Wie der englische Architekt John Pawson beim Entwurf seiner Bauten ringt, prüft und abwägt, zeigt gegewärtig die Ausstellung «John Pawson» in der Pinakothek der Moderne in München. Sie oszilliert zwischen Strenge und Freiheit.

Data di pubblicazione
16-04-2012
Revision
25-08-2015

John Pawson ist sicher kein Geheimtip mehr. Spätestens seit sein Zisterzienserkloster im tschechischen Nový Dvur, das auf einem verlassenen Gutshof entstand, 2004 auf der Biennale in Venedig gezeigt wurde, ist er international bekannt. Pawsons Entwürfe sind geprägt von einer stringenten Reduktion, in denen Licht, Form und Material präzise aufeinander abgestimmt sind und die in ihrer Wirkung durch keine Störungen beein-
trächtigt werden. Seine Kompromisslosigkeit beeindruckt, sie fordert dazu auf, im Ein-
fachen die Komplexität des Ganzen zu entdecken. Seine Architektur bewegt sich aber auch immer auf einem Grat zwischen meditativer Kraft und elitärer Distinktion, zwischen befreiender und demonstrativer Reduktion. Das lässt sich derzeit in München studieren, wo sein Werk in einer Ausstellung zu sehen ist. Sie empfängt den Besucher mit einem Raum, in dem vier Projekte über je ein Modell, ein oder zwei grossformatigen Fotos und einer bebilderten Beschreibung präsentiert werden. Das jeweils ohnehin schon reduzierte Materialkonzept wird erneut auf eine Kombination zweier in grossflächigen Proben gezeig-
ten Materialien reduziert – Zedernholz und Pietra Leccese beim Haus Pawson (1999), gebeizte Eiche und grauer Granit beim tschechischen Kloster (2004). Daran schliesst sich eine eigens für München gefertigte Rauminstallation eines überwölbten, mittig aufge-
schnittenen Ovals an. Sie dient dazu, so der Pressetext, die Besucher die «Intensität eines minimierten Raumes unmittelbar erfahren» zu lassen. Hier zeigt sich, wie schwer es ist, den Besuchern eine reduzierte Architektur mit den Mitteln der Ausstellungsarchitektur nahebringen zu wollen, dass gerade bei dieser Architektur der Verzicht auf eine spezifische und erfahrbare Materialqualität problematisch ist.

Prinzip der Einfachheit

Die beiden folgenden Räume aber lassen die an didaktische Bevormundung grenzende Reduktion des Reduzierten vergessen. Paarweise gezeigte und kommentierte Bilder aus Pawsons umfangreichem Bildarchiv geben einen profunden und aufschlussreichen Einblick in dessen architektonisches Denken, seine Art, sich von grossen Vorbildern wie Carlo Scarpa oder alltäglichen Situationen, etwa dem Spiel des Lichts auf dem Wasser, inspirieren zu lassen – nun zeigt sich, dass Pawsons Architektur sich aus einem Weltzugang speist, der sich nicht in aristokratischer Askese erschöpfen muss. Im letzten Ausstellungsraum schliesslich sind zum einen Designobjekte Pawsons zu sehen. Sie zeigen, welche Rolle die Qualität des jeweiligen Materials spielt. Zum anderen werden in grossen, anschaulichen Modellen von Sakralbauten und von 29 Wohnhäusern die Auseinandersetzung des Architekten mit der Form, der Verzahnung des Innen- mit dem Aussenraum, sein Umgang mit der Topografie nachvollziehbar. Additive und subtraktive Volumen, Um- und Anbauten, reduzierte Elemente oder ausgreifende Anlagen, die Suche nach der richtigen Dachform, dem passenden Material und dem angemessenen Umgang mit Patios, Terrassen, offenen Höfen: Hier zeigt sich, wie Pawson ringt, prüft und abwägt. Der Zugang zu seinem Werk wird hier gleichzeitig leichter und anspruchsvoller gemacht: Leichter, weil man hier die Information bekommt, um die einzelne Arbeit Pawsons als Teil einer fortwährenden Auseinandersetzung zuordnen zu können. Anspruchsvoller, weil die Besucher sich nicht den einhüllenden Atmosphären hingeben können wie in den anderen Räumen. Hier wird gelassen Ausstellung und Architektur auf eine Weise voneinander getrennt, die die Freiheit gibt, sich Pawsons Werk für sich selbst anzueignen.

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