Kon­struk­ti­on im Stahl­bau

Editorial TEC21 23-24/2022

Publikationsdatum
14-07-2022

Es gibt Fachbegriffe, bei denen immer ein leicht moralischer Untertonmitschwingt und die Bedeutung des Begriffs verzerrt. Materialgerechtigkeit ist ein solches Beispiel: Einen Baustoff kann man falsch verwenden, aber ungerecht ist dabei höchstens, wenn jemand anders die dadurch verursachten Schäden bezahlen muss. Diese semantische Ungenauigkeit hat mich im Studium, als ich zum ersten Mal damit konfrontiert wurde, stark irritiert. Mittlerweile habe ich eine ganze Reihe solcher moralischer Attribute von Baustoffen kennen – und anzweifeln – gelernt. Dazu gehören Pauschalurteile über die Daseinsberechtigung bestimmter Baustoffe, etwa wenn es um nachhaltiges Bauen geht. So gilt Stahl in manchen Kreisen als verwerflich, weil seine Herstellung mit einem grossen Energieaufwand und in der Regel auch mit einem hohen CO²-Ausstoss verbunden ist. Das stimmt zwar, doch bei genauer Betrachtung relativiert sich das Bild. Zum einen ist das Verhältnis zwischen Gewicht und Trag­fähigkeit von Stahl so günstig, dass er äusserst sparsam eingesetzt werden kann. Zum anderen sind die statischen Eigenschaften normierter Stahlelemente weltweit bekannt und bleiben bei gutem Unterhalt auch über Jahrzehnte konstant; gebrauchte Teile können abmontiert und wiederverwendet werden. Zudem ist Baustahl in der Schweiz praktisch zu 100 % Recyclingmaterial. Spätestens dann, wenn es der Stahlindustrie gelingt, den CO²-Ausstoss bei der Herstellung zu vermeiden, wäre eine nüchterne Diskussion an­gebracht. Wir allerdings wollen nicht so lang warten: Dieses Heft widmen wir der Zukunft von Stahl. Und wir zeigen einen aktuellen Bau, in dem der Stahl – tatsächlich – materialgerecht eingesetzt ist.

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