Wem gehört das BIM-Modell?
Bei Auftraggebenden und Auftragnehmenden wird oft über das Eigentum von digitalen Bauwerksmodellen (BIM-Modelle) diskutiert. Gehört das Architektur- respektive Tragwerksmodell nun der Architektin respektive dem Bauingenieur, oder gehört es den Auftraggebenden, die die Planung bezahlt haben? Es lohnt sich, dieser Fragestellung vertieft nachzugehen.
Digitale Bauwerksmodelle bestehen aus Daten. Da Daten die sogenannte Körperlichkeit fehlt, gelten sie nicht als Sache. Daher bestehen unterschiedliche Auffassungen, ob überhaupt Eigentumsrechte an Daten abgeleitet werden können. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden keine Vereinbarungen bezüglich der Nutzung von digitalen Bauwerksmodellen getroffen werden sollten. Vielmehr ist es entscheidend, die jeweiligen Fragestellungen vor dem Start der Projektierung in der nötigen Tiefe zu klären.
Im Grundsatz sollte sich die Diskussion nicht um digitale Bauwerksmodelle, sondern um die daraus abzuleitenden Informationen drehen. Es gibt nicht das digitale Bauwerksmodell an sich. Die Modelle sind so vielfältig wie die damit zu bearbeitenden Projekte. Digitale Bauwerksmodelle sind Werkzeuge, um Informationen auszugeben, die einen definierten Zweck zu erfüllen haben. Es geht darum, an vereinbarten Zeitpunkten – dank den gelieferten Informationen – entweder Schlüsselentscheide zu fällen (Key Decision Points) oder Handlungsanweisungen bereitzustellen.
Die Genehmigung eines Raumprogramms eines vorliegenden Bauprojekts kann ein solcher Schlüsselentscheid sein. Die Montageanleitung auf einem Tablet der Elektroinstallateurin ist ein Beispiel für eine Handlungsanweisung. Schlüsselentscheide und Handlungsanweisungen, die bestimmte Informationen aus digitalen Bauwerksmodellen bedingen, können sowohl aufseiten der Auftraggebenden wie auch aufseiten der Auftragnehmenden auftreten.
Erst denken, dann handeln
Es empfiehlt sich, so weit wie möglich schon bei Projektbeginn konkret zu definieren, zu welchem Zweck digitale Bauwerksmodelle genutzt werden sollten und welche Ziele damit zu erreichen sind. Building Information Modelling (BIM) als Zweck zu nennen reicht nicht. Vielmehr führt eine fehlende Zieldefinition dazu, dass die digitalen Bauwerksmodelle den gewünschten Nutzen nicht ermöglichen.
Der Prozess der Zielerarbeitung ist nicht zu unterschätzen, und der dafür nötige Zeitaufwand ist unbedingt einzuplanen. Sowohl die SN-EN-ISO-Reihe 19650 (Information Management using Building Information Modelling) als auch das Merkblatt SIA 2051 BIM machen Vorschläge zur Erarbeitung des notwendigen Umfangs und der Qualität eines digitalen Bauwerksmodells. Beginnend auf strategischer Ebene einer Organisation und des Projekts über die vertragliche Vereinbarung der Informationslieferung bis hin zu den digitalen Bauwerksmodellen sind die Anforderungen an die Informationen zu formulieren.
Die Informationsanforderungen sind dabei nicht Selbstzweck, sondern müssen zwingend den vordefinierten Zweck erfüllen und das Erreichen der Ziele unterstützen. Dabei ist zu beachten, dass das Modell der Projektierung nicht mit dem Modell der Bewirtschaftung gleichzusetzen ist. Das Modell der Projektierung basiert auf den Informationsanforderung der Planung und Realisation eines Bauwerks. Das Modell der Bewirtschaftung fokussiert sich auf die Phase der Bewirtschaftung. Selbstredend kann das Modell der Projektierung als Grundlage für das Modell der Bewirtschaftung dienen. Für die Bewirtschaftung nicht benötigte Informationen aus der Phase der Projektierung und Realisierung sind wegzulassen und allenfalls zusätzlich notwendige Information beizufügen.
Fokus aufs Wesentliche
Wichtig bei all diesen Überlegungen ist, dem Pull-Prinzip zu folgen: Der Umfang und die Qualität der Informationen werden durch den Zweck und das zu erreichende Ziel bestimmt und nicht durch das, was vielleicht einmal von Nutzen sein kann. Es gilt dabei dem Grundsatz zu folgen, so viel an Informationen wie nötig, aber nur so wenig wie möglich einzupflegen. Das Bewirtschaften von Daten und Informationen digitaler Bauwerksmodelle ist genauso wenig zu unterschätzen wie die Bewirtschaftung eines physischen Bauwerks.
Die zu Beginn gemachte Aussage, dass aus Daten je nach Sichtweise keine klassischen Eigentumsrechte ableitbar sind, befreit die Parteien nicht davon, Regelungen bezüglich der Nutzung zu treffen. Neben dem Zweck und den Anforderungen der zu liefernden Informationen sind unter anderem auch die Rechte bezüglich der Nutzung (Lesen, Auswerten, Verändern) und dem Anwendungsbereich festzulegen. Zusätzlich sind bei digitalen Bauwerksmodellen und ihren darin enthaltenen Informationen die Leistungsschutzrechte, namentlich dem Urheberrecht, zu beachten. Weitere Hinweise, was bei der Regelung zu beachten ist, gibt das Merkblatt SIA 2051 BIM.
Knackpunkt Bestellerkompetenz
Das Bestellen wie auch das Liefern von Informationen aus digitalen Bauwerksmodellen erfordert Kompetenzen. Kompetenzen, die gerade auch aufseiten der Auftraggebenden oft noch nicht in der notwendigen Breite und Tiefe ausgebildet sind: Ziel, Zweck und Massnahmen sowie die damit zusammenhängenden Informationsanforderungen werden verwechselt. Geeignete Prozesse zur Zielerarbeitung sind zum Teil kaum eingeübt.
Sind bei den Auftragnehmenden die Kompetenzen zur Zielformulierung vorhanden, so können sie die Auftraggebenden dabei unterstützen. Doch auch hier ist noch ein Nachholbedarf erkennbar. Aus- und Weiterbildungsinstitutionen sind gefordert, der Branche das nötige Wissen und die Fähigkeiten zu vermitteln. Die Nutzung von Datenfeldkatalogen ist dabei nur eine kleine Hilfestellung. Oft sind diese Kataloge zu umfangreich und zu wenig zielfokussiert. Eine grössere technische Hilfestellung wird der BIM-Profilserver des CRBs bieten, dessen Veröffentlichung in diesem Jahr geplant ist. Gemeinsam mit der FHNW erarbeitet, ermöglicht er, Prozesse zielgerichtet zu beschreiben und mit den Informationsanforderungen zu verknüpfen.
Der Inhalt zählt
Entscheidend bleibt aber eine gemeinsame Verständigung zwischen Planenden, Ausführenden und Bestellenden von Bauwerken. Im Grundsatz geht es nicht um digitale Bauwerksmodelle, sondern um die daraus ableitbaren Informationen. Diese sind zu einem definierten Zeitpunkt und zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung zu stellen. Daran gekoppelt sind die zu vereinbarenden Rechte und die Honorierung. Kommen wir weg von Worthülsen hin zum Kern der Sache: den Informationen. Informationen, die schon immer Bestandteil der Planungs- und Bauprozesse waren, aber deren Bedeutung stark zugenommen hat und weiter zunehmen wird.