Wett­be­werb Er­wei­te­rung Kunst­haus Zü­rich

L’art pour l’art: Das Team um David Chipperfield hat beim Wettbewerb zur Erweiterung des Kunsthauses in Zürich seine ganze Kunst aufgeboten, um ein unauffälliges, funktionales Kunstmuseum zu entwickeln. Restlos zu begeistern vermag das erstplatzierte Projekt nicht. 

Publikationsdatum
09-01-2009
Alexander Felix
Dipl.-Ing. Arch. TUM; Mitglied des Stiftungsrats Architektur Dialoge, Basel

Bei der ersten Betrachtung des Siegerprojekts «Aglaia» im Stadtmodell fällt die Grösse des Bauvolumens auf, dessen Kantenlänge annähernd dem Geviert der Hochschulen entspricht. Der Kubus ist nahe an den Heimplatz gerückt und fasst den städtischen Raum zu einer Art Vorzimmer für das neue Kunsthaus-Ensemble.

Neben städtebaulichen Überlegungen führten organisatorische Aspekte zur Kür des Siegerprojekts. Chipperfields Anliegen, ein Haus für die Kunst zu bauen, zeigt sich in ruhigen, gut belichteten und flexiblen Ausstellungsräumen – wie die Jury lobt. In Materialität (Sandstein wie beim Moser-Bau) und Fassadengestaltung (Interpretation der Fassade des Pfister-Baus) tritt der Erweiterungsbau in einen Dialog mit dem Umfeld und ist so weit zurückgenommen, das er im Kontext beinahe verschwindet (Bilder 1, 6–8).

Das zweitrangierte Projekt von Gigon Guyer zeichnet sich durch seine differenzierte Volumetrie aus. Das Konglomerat verschiedener Kuben nimmt die Körnung der Umgebung auf. Die Jury kritisiert unter anderem die Glasbausteinfassaden als Fremdkörper im steinernen Umfeld (Bild 2). Das drittplatzierte Doppelhaus von Max Dudler teilt die Erweiterung in einen Verwaltungs- und einen Ausstellungstrakt und schafft so eine Gasse, die den Stadtplatz mit dem Garten der Kunst verbindet. Allerdings gelingt es nicht, die enge Schlucht überzeugend zu beleben (Bild 3). Mit einer Art Kunsthangar gelangt die ARGE Grazioli / Krischanitz auf den vierten Platz: Die technisch wirkende Aussenhülle birgt eine streng symmetrische Grundrissorganisation, die an ein Museum aus dem 19. Jahrhundert erinnert (Bild 4).

Alternativen

Befremdlich ist, dass die Platzgestaltung nur als unverbindlicher Bestandteil der Entwurfsaufgabe ausgeschrieben wurde. Unter Berufung auf den Masterplan Hochschulgebiet Zürich Zentrum wurde der Perimeter eng gefasst, um eine «respektvolle Distanz zur alten Kantonsschule zu garantieren». Allerdings wurde damit auch ein offenerer Umgang mit den stadträumlichen Möglichkeiten verhindert. Einige Beiträge versuchen diese Einschränkung zu lösen und überschreiten den Perimeter, was zum Ausschluss von der Rangierung führte. Das angekaufte Projekt von Diener & Diener öffnet so eine grosse Kunstterrasse (Bild 5), während die Projekte von Rüssli / Holl (Bild 9) und Kaufmann / Rüf (Bild 10) den Hang bis an den Platz heranführen. Eher an einen südlichen Ort wünscht man sich hingegen den Ansatz von pool ­Architekten / Aires Mateus: Der Heimplatz wird unter das Gebäude gezogen und bildet einen grossen, wenngleich zugig wirkenden gedeckten Eingangsbereich (Bild 11).

Abgeschlagen landeten auch die Projekte der beiden Nachwuchsteams im Wettbewerb; sowohl Kaufmann / Rüf wie auch das Team Mazzapokora und Buchner Bründler zeigen recht arrivierte, abgeklärte Projekte (Bilder 10 und 12). Unter den 20 Beiträgen befinden sich neben zahlreichen Kuben nur wenige «bunte Hunde». Etwa der Entwurf «Flexible Abfolge» von REX Architecture aus New York (Bild 13): Seine verspiegelten, überhängenden Fassaden wirken aus der Fussgängerperspektive abweisend und bedrohlich, während sie innen tote Ecken erzeugen. Der Vorschlag «Drei Rosen» von Mansilla y Tuñón irritiert durch polygonale Formen, deren fliessende Innenräume für Kunstausstellungen weniger geeignet erscheinen (Bild 14).

Verfahren

Trotz dem eindeutigen Juryvotum wird das Projekt Kunsthauserweiterung bis zu seiner geplanten Fertigstellung 2015 noch für Gesprächsstoff sorgen. Auch wird das Wettbewerbsverfahren noch länger zu reden geben (siehe TEC21 26, 48, 51-52/2008). In einer ersten Stufe luden die Auftraggeber – die Zürcher Kunstgesellschaft, die Stiftung Zürcher Kunsthaus und die Stadt Zürich – Architekturbüros ein, sich in einer nicht anonymen Referenzqualifikation für die Teilnahme zu bewerben. Aus den eingegangen 214 Bewerbungen suchte die Jury 20 geeignete Teams für den anschliessenden anonymen Projektwettbewerb aus. Dieses Verfahren wurde auf Wunsch der Bauherrschaft gewählt anstelle eines anonymen zweistufigen Verfahrens – in dem sich vielleicht die gleichen Projekte durchgesetzt hätten, allerdings mit der Möglichkeit auf positive Überraschungen.

Preise


1. Preis (48 000 Fr.): «Aglaia», David Chipperfield Architects, D-Berlin; Wirtz International, B-Schoten; Ingenieurgruppe Bauen, D-Berlin


2. Preis (42 000 Fr.): «Verschneite Strasse in Louveciennes», Annette Gigon / Mike Guyer, Zürich; Schweingruber Zulauf, Zürich; Dr. Schwartz Consulting, Zug


3. Preis (30 000 Fr.): «Forum», Max Dudler Architekten, Zürich; Vetsch, Nipkow Partner, Zürich; Leonhardt Andrä und Partner, Zürich


4. Preis (20 000 Fr.): «Dem Vergnügen und Nutzen», ARGE Grazioli / Krischanitz, Zürich; w+s Landschaftsarchitekten, Solothurn; a.k.a. ingenieure – Beck Gengnagel v. Kameke Partnerschaft, D-München


Ankauf (20 000 Fr.): «Neunhundertsiebenundzwanzig», Diener & Diener Architekten, Basel; Rotzler Krebs Partner, Winterthur; Ernst Basler + Partner, Zürich

Übrige Teilnehmende

  • Barkow Leibinger Architekten, D-Berlin; Büro Kiefer, D-Berlin; Schlaich Bergermann und Partner, D-Berlin
  • Caruso St John Architects, GB-London; Liza Fior muf architecture / art, GB-London; Ove Arup & Partners, GB-London
  • e2a eckert eckert architekten, Zürich; Müller Landschaftsarchitekten, Zürich; JägerPartner, Zürich
  • Andreas Fuhrimann / Gabrielle Hächler, Zürich; Beglinger + Bryan Landschaftsarchitektur, Mollis; JA Könz, Zernez
  • Sebastian Irarrazaval Arquitectos, RCH-Santiago de Chile; Estudio del Paisaje Teresa Moller & Asociados, RCH-Santiago de Chile; Luis Soler P. & Asociados, RCH-Santiago de Chile
  • Oskar Leo Kaufmann / Albert Rüf Zivil­techniker, A-Dornbirn (Nachwuchsteam); 3:0 Landschaftsarchitektur, A-Wien; ARGE Mader / Flatz / Rissi, A-Bregenz / St. Gallen
  • Luis Mansilla y Emilio Tuñón Arquitectos, E-Madrid; vi.vo.architektur.landschaft, Zürich; Gogaite, E-Madrid
  • Josep Lluis Mateo MAP Arquitectos, E-Barcelona; Placemedia, JP-Tokio; Brufau, Obiol, Moya & Ass., E-Barcelona
  • Mazzapokora, Zürich, und Buchner Bründler, Basel (Nachwuchsteam); Jürg Altherr, Schlieren; Walther Mory Maier Bauingenieure, Basel
  • Marcel Meili, Markus Peter Architekten, Zürich; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; Basler & Hofmann Ingenieure und Planer, Zürich
  • Miller & Maranta, Basel; J.S. Bihr-de Salis, Kallern; WGG Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel
  • pool Architekten, Zürich / Aires Mateus & Associados, P-Lissabon; ADR Julien Des­combes + Marco Rampini, Genf; Betar Estudos e Projectos de Estabilidade, P-Lissabon
  • REX Architecture, USA-New York; James Corner / Field Operations, USA-New York; Magnusson Klemencic Associates, USA-Seattle
  • Rüssli Architekten, Luzern, und Steven Holl Architects, USA-New York; Robert Gissinger, Luzern; PlüssMeyerPartner, Luzern
  • Sauerbruch Hutton, D-Berlin; Adelheid Schönborn, D-München; Arup, D-Berlin

Jury

Sachpreisgericht: Walter B. Kielholz (Vorsitz), Thomas Wagner, Christoph Becker, Elmar Ledergerber, Kathrin Martelli, Christian Bührle, Peter Fischli, Klaus-Dieter Lehmann / Vertretung: Norbert Zimmermann; Maja Oeri / Vertretung: Theodora Vischer


Fachpreisgericht: Carl Fingerhuth (Moderation), Franz Eberhard, Stefan Bitterli, Peter Baumgartner, Eraldo Consolascio, Christophe Girot, Francine M. J. Houben, Hilde Léon, Daniel Niggli, Laurids Ortner, Emanuel Christ (Ersatz)

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