Ein Pionier des schweizerischen Forstwesens
Die Bündner Forstorganisationen widmen Johann Coaz eine Sonderpublikation. Der erste Eidgenössische Oberforstinspektor prägte das Forstwesen in der Schweiz massgeblich.
Es gibt Biografien, die im 19. Jahrhundert möglich waren, heute aber nicht mehr denkbar sind. Johann Wilhelm Fortunat Coaz ist ein solches Beispiel. Geboren in Antwerpen 1822 als Sohn eines Schweizer Offiziers in holländischen Diensten, verbrachte er seine Jugend und Schulzeit in Chur. 1841 bis 1843 folgte das Studium an der Königlich Sächsischen Forstakademie in Tharandt bei Dresden; in der Schweiz gab es damals noch keine akademische forstliche Ausbildung, die Gründung des Eidgenössischen Polytechnikums in Zürich erfolgte erst 1855.
Zurück in der Schweiz arbeitete Coaz unter Guillaume Henri Dufour an der Erstellung der Dufourkarte, dem ersten amtlichen Kartenwerk der gesamten Schweiz. Er kartierte vor allem im Engadin und bestieg dafür 1850 als Erster den Piz Bernina. Offenbar genoss Coaz das Vertrauen von General Dufour, denn dieser ernannte ihn 1847 zu seinem persönlichen Stabssekretär im Sonderbundskrieg, der den Weg zur Gründung des Schweizerischen Bundesstaats ebnete.
1851 wählte die Bündner Regierung Coaz zum kantonalen Forstinspektor. Der Wald in Graubünden war damals übernutzt und in einem schlechten Zustand. Coaz teilte den Kanton in Forstkreise ein und versuchte die Gemeinden zu überzeugen, Waldordnungen einzuführen und Förster anzustellen. 1860 sollte er Professor an der ETH Zürich werden. Doch Coaz lehnte ab – er wollte den Aufbau des Forstwesens in Graubünden vorantreiben.
32 Bundesräte in 39 Jahren
Nach einer kurzen Zeit als Forstinspektor im Kanton St. Gallen wurde Coaz 1875 erster Eidgenössischer Oberforstinspektor in Bern. Im Jahr zuvor hatten die Schweizer Stimmberechtigten der revidierten Bundesverfassung zugestimmt und dem Bund das «Recht der Oberaufsicht über die Wasserbau- und Forstpolizei im Hochgebirge» eingeräumt. Bereits 1876 trat das erste Eidgenössische Forstgesetz in Kraft. Die Kompetenzen des Bundes wurden 1902 schliesslich auf die ganze Schweiz ausgedehnt. Der Bündner blieb bis 1914 im Amt, zog bei der Gründung des Schweizerischen Nationalparks die Fäden in der Bundesverwaltung und organisierte noch 1913 zusammen mit Bundesrat Forrer die erste Weltnaturschutzkonferenz in Bern. Coaz wirkte 39 Jahre in der Bundesverwaltung und erlebte insgesamt 32 Bundesräte. Mit 92 Jahren kehrte er nach Graubünden zurück und starb vier Jahre später am 18. August 1918.
Nun wird sein Leben und Wirken in einem Sonderheft der Zeitschrift «Bündner Wald» gewürdigt. Sandro Krättli und Jürg Hassler vom Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Graubünden konnten dafür zahlreiche Autoren gewinnen. Die Artikel geben einen Einblick in das weite Tätigkeitsfeld von Coaz. So erfährt man einiges über die ersten Lawinenverbauungen der Schweiz aus frei stehenden Bruchsteinmauern 1868 im Unterengadin oberhalb von Martina. Die Bauwerke befinden sich nach 150 Jahren in einem erstaunlich guten Zustand. Weitere Berichte handeln von der Tätigkeit als Gletschervermesser und als Naturforscher. Coaz betreute nicht nur den Wald, sondern auch die Jagd und Fischerei. 1910 konnten die ersten Steinböcke ausgesetzt werden, nachdem drei illegal aus Italien in die Schweiz gebrachte Kitze sich in Schweizer Tierparks vermehrt hatten.
Tagebuch im Überseekoffer
Auch die Familie von Coaz erhält ihren Platz. Zwei Urenkel erzählen, wie sie 1981 die Tagebücher und viel Material ihres Urgrossvaters in einem Überseekoffer im Haus ihrer Tante in Arosa gefunden haben. Im Herbst 2016 übergaben sie den Nachlass dem Staatsarchiv des Kantons Graubünden. Der Historiker Paul Eugen Grimm sichtete die Dokumente. Viele der im Sonderdruck versammelten Beiträge sind erst dadurch möglich geworden.
Angaben zur Publikation
Amt für Wald und Naturgefahren (Hrsg.), Bündner Wald – Coaz, Pionier seiner Zeit (1822–1918). Edition Somedia, Chur. ISBN 978-3-907095-02-7, Fr. 19.90
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