Di­ch­ter am Bah­n­hof

Umnutzung Gewerbebrache Cour de Gare, Sitten VS

Siedlung und Verkehr zu koordinieren ist für die hochwertige Verdichtung essenziell. In Sitten nutzt man die Gunst einer Gewerbebrache direkt beim Bahnhof: Das Areal wird zur neuen Visitenkarte des Walliser Kantonshauptorts.

Data di pubblicazione
24-09-2020

Von 1950 bis 1970 hat sich die Bevölkerung von Sitten mehr als verdoppelt; seither nahm sie nochmals um ein Drittel zu. Trotz zentraler Lage direkt am Bahnhof blieb das knapp 2 ha weite Areal «Cour de gare» von diesem enormen Besiedlungsdruck verschont. Über viele Jahre standen darauf Lagerhäuser, die hauptsächlich der Landwirtschaft dienten. Im hinteren Bereich des Grundstücks fanden derweil die ersten Fabriken im Walliser Kantonshauptort Platz; nach deren Stilllegung in den 1980er-Jahren wichen sie zunächst einem riesigen Autoparkplatz unter freiem Himmel. Nun endlich steht eine Eingliederung in das urbane Siedlungsgebiet bevor. Die Bauarbeiten haben in diesem Sommer begonnen; bis in gut drei Jahren werden mehrere Gebäudezeilen realisiert. In sechs Baukörpern werden über 300 Wohneinheiten im Mietsegment bzw. für Studierende entstehen. Zwei weitere Komplexe sollen als Geschäfts- respektive Veranstaltungshäuser dienen.

Der Aussenraum ist zu weiten Teilen mit dem Zugang zum Bahnhof identisch; insofern lässt sich der Standort bestens mit einer kommerziellen Nutzung der Erdgeschosse kombinieren. Bei der Vermietung wird grosser Wert auf eine hohe Vielfalt an Angeboten für die Passanten gelegt. Der Untergrund ist derweil für ein zweigeschossiges öffentliches Parkhaus mit über 600 Stellplätzen reserviert.

Entwicklung mit hoher Dichte

Die Gesamtüberbauung ist von hoher baulicher Dichte – die Ausnützungsziffer erreicht beinahe 3. Darin bildet sich zum einen das quantitative Entwicklungsziel für diesen Standort ab. Ebenso spiegelt sich darin die lang gezogene, enge Dimensionierung des Grundstücks wider. Leitbild, Richtlinien und Masterplan sind das Ergebnis eines langen städte­planerischen Prozesses. Die Arealtrans­formation wurde anfänglich mit aktiver Beteiligung der Stadtbehörde vorangetrieben. 2012 wurde der städtebauliche Vorschlag der Walliser Architekten Bonnard + Wœffray – im Rahmen eines Auswahlverfahrens – als Grundmuster für die Weiterentwicklung bestimmt. Das Ziel ist, qualitativ hochwertigen Wohnraum zu schaffen und das zentrale Neubauareal an die bestehende städtische Morphologie anzupassen.

Die Einheit des Standorts wird aus derselben Perspektive angestrebt, die bis heute eine Stadt des 19. Jahrhunderts prägt: ein städtisches Ganzes, das durch feine Variationen an den Einzelbauten nuanciert werden kann. Die unmittelbare Nähe der Neubauten erzeugt eine Nachbarschaftsbeziehung, die sich in ­einer eigenen Architekturtypologie abbilden wird. Das künftige «Cour de gare»-Viertel soll deshalb zum Inbegriff für die gegenseitige Zugehörigkeit werden. Der äussere Ausdruck der Wohnzeilen wiederholt sich in horizontalen Elementen wie Vordächern, Balkonen, Gesimsen und durchgehenden ­Geländern. Die Individualisierung wird derweil als Gestaltungsaufgabe für Sockel, Türen oder bestimmte Bereiche an der Aussenhülle definiert. Am Ostende markiert ein Bürogebäude den Stadtauftakt.

Hohe Vielfalt angestrebt

Das Nutzungsprogramm ist bereits definiert: Neben 302 Mietwohneinheiten werden ein Hotel, eine Veranstaltungslokalität sowie Flächen für Dienstleistung und Kommerz realisiert. Bei den Geschäftslokalen auf EG-Niveau werde eine hohe Vielfalt angestrebt, bestätigt Zinédine Hamoudi, Projektleiter beim Totalunternehmer HRS.

Für die Energieversorgung wird ein Arealnetz aufgebaut, wofür das Rhonewasser als emissionsarme, thermische Quelle verwendet wird. Die Einzelge­bäude sollen den Gebäudestandard Minergie-P erfüllen. Und eine Begrünung der Dachflächen wird den Abfluss von Meteorwasser puffern.

Cour de Gare, Sitten VS


Nutzung: 8 Gebäude, 302 Wohneinheiten,
Büro- und Geschäftsflächen

Eigentümer: Credit Suisse Anlagestiftungen, Zürich

Totalunternehmer: HRS Real Estate, Sitten

Architektur/Städtebau: Bonnard + Wœffray architectes, Monthey; GACDG (meier + associés architectes, Genf, und Cagna + Wenger Architectes, Sitten)

Realisierung: 2019 –2023

Gesamtkosten: ca. 130 Mio CHF
Bruttogeschossfläche: 82 600 m2

Energiestandard: Minergie-P (angestrebt)


Entwicklung/Auswahlverfahren


2012: Internationaler Städtebau- und Architekturwettbewerb (Europan) und Studienauftrag


2017: Verkauf des Entwicklungsprojekts von Cour de gare SA, SBB, Stadt Sitten an Credit Suisse

Mit Unterstützung von energieschweiz sind bei espazium –Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»
 

Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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