Wie BIM den Ge­bäu­de­schu­tz vor per­ma­nen­ten Ru­tschun­gen ver­bes­sert

Rutschungen, Steinschlag und Hangmuren betreffen sechs bis acht Prozent der Fläche der Schweiz. Das Projekt GEOL_BIM erforscht ­Optimierungspotenziale bei der Planung und dem Unterhalt von Gebäuden für einen besseren Schutz vor permanenten Bodenbewegungen. 

Data di pubblicazione
18-03-2022
Benno Staub
Bereichsleiter Natur­gefahren-Prävention, Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF
Oliver Schneider
wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachhochschule ­Nordwestschweiz FHNW

Permanente Rutschungen füh­ren aufgrund von Gefährdungsbildern wie erhöhtem Erddruck oder differenziellen Bodenbewegungen zu massiven Gebäudeschäden durch Verkippungen, Verwindungen und Setzungen. Planerinnen und Planer stehen vor der Herausforderung, derartigen Einwirkungen auf das Tragwerk eines Bauwerkes mit geeigneten baulichen Massnahmen entgegenzuwirken. Die neuen Formen der Zusammenarbeit bei der Anwendung der BIM-Methode und der zentrale Informationsaustausch über das digitale Bauwerksmodell (DBM) unterstützen die beteiligten Fachpersonen dabei.

Geologie im digitalen Bauwerksmodell

Das vom Schweizer Geologenverband CHGEOL initiierte und von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse mitfinanzierte Innovationsprojekt stellt die Frage nach der Integration der Geologie und der Geotechnik in die Anwendung der BIM-Methode.

Ein gängiges und international standardisiertes Format zum Datenaustausch in der Bauindustrie sind die Industry Foundation Classes, kurz IFC. Der derzeit gültige Standard ist allerdings noch nicht explizit für geologische und geotechnische Anwendungsfälle konzipiert. Der Einbezug geologischer Fachexpertise ist jedoch insbesondere für den Tiefbau und die Naturgefahrenprävention zentral. Zur Abbildung der Geologie vertraut GEOL_BIM deshalb auf das international etablierte konzeptionelle Datenmodell GeoSciML 4.1.

Mithilfe von eigens für geologische Anwendungsfälle konzipierten Workflows sind mit GEOL_BIM exemplarisch für Rutschgebiete als relevant erachtete Informationen unter Berücksichtigung des Geo­Sci­ML-Datenmodelles nach IFC überführt worden.

Risikooptimierte Planung und Bewirtschaftung

Die Anwendung der BIM-Methode auf permanente Rutschungen dient der Minimierung von Risiken durch diese Naturgefahr und soll die Funktionalität eines Gebäudes über dessen gesamte Lebensdauer gewährleisten. Zur Optimierung des Informationsflusses wurde eine Prozesskarte erarbeitet, die die betreffend permanente Bodenbewegungen relevanten Fragestellungen sowie die hierzu erforderlichen Daten und die Rollen der invol­vierten Akteure für die Anwen­dung der BIM-Methode beschreibt (IDM-Methode).

Grundlegend für einen op­timalen Planungsprozess ist eine sorgfältige Erstabklärung der Gefährdung zu Beginn eines Projektes. Diese Vorgehensweise verhindert Überraschungen in späteren Projektphasen und erweitert den Handlungsspielraum für planerisch gute Lösungen. Denn Projektänderungen oder nachträglich hinzugefügte Schutzmassnahmen können für die Bauherrschaft erhebliche Mehraufwände und -kosten bedeuten.

Eine wesentliche Grundlage für die Abklärung der Gefährdung sind nebst geologischen Grundlagendaten wie geologischen Karten oder bestehenden Bohrungen die kantonalen Gefahrenkarten. Mit der Ausscheidung der Rutschflächen und deren Attribuierung mit Eigenschaften der Rutschung stellen sie einen einfach zugänglichen und trotzdem informationsreichen Datensatz dar, der die Rutschbewegung und die dadurch resultierenden Einwirkungen auf Bauwerke charakterisiert. Aktuelle Gefahrenkarten sind für viele Siedlungsgebiete vorhanden. Zusätzlich können gebietsweise weitere Informationen wie Verschiebungsvektoren, Inklinometerdaten, geophysikalische Profile, hydrogeologische Daten und dokumentierte Schäden vorhanden sein.

Die erarbeitete Prozesskarte sieht auch Unterhaltsmassnahmen vor. Die Aussicht auf ein geringeres Schadenausmass soll die Bauherrschaft motivieren, eine regelmässige, beispielsweise jährliche oder zweijährliche Prüfung des Bauobjektes durchzuführen. Diese kann je nach Gefährdungsbild und Bewegungsraten visuell erfolgen oder mittels Lagesensoren und Mess­marken. Ein minimaler Ansatz könnte sein, dass bei der Inbetriebnahme eine präzise Nullmessung der Gebäudelage (Koordinaten, Winkel der Aussenwände) durchgeführt wird. Bei Verdacht auf Verkippungen, Verwindungen oder Setzungen dient diese Nullmessung später als Referenzwert.

Informationen aus Schadensmeldungen

Aus einem mit Bedacht geplanten und durchgeführten Unterhalt und mithilfe von Schadensmeldungen lassen sich neue Informationen für die Prävention gewinnen. Erkenntnisse, die auf Systemveränderungen der Rutschung hindeuten, könnten eine ereignisbezogene Revision der Gefahrenkarte und gebietsspezifische Untersuchungen auslösen. Somit liesse sich die Erneuerung der Gefahrengrundlagen evidenzbasiert priorisieren, und Bauvorhaben könnten von den aktuelleren und möglicherweise aussagekräftigeren Daten profitieren. Die verbesserte Datengrundlage dient nebst der Planung auch der späteren Validierung von Sanierungsmassnahmen, beispielsweise Drainagen, zur Verlangsamung der Rutschbewegungen.

Damit macht GEOL_BIM erste Schritte in Richtung einer digitalen Durchgängigkeit von geologischen Informationen zur Zusammenarbeit mit BIM und ermöglicht die medienbruchfreie Kommunikation über verschiedene Fachexpertisen hinweg. Für den Umgang mit den Unsicherheiten und Risiken des Untergrundes eröffnet sich ein Feld neuer Möglichkeiten. Insbesondere hinsichtlich der Einwirkungen auf Tragwerke von Gebäuden und Infrastrukturbauten können die Planung und Ausführung von Schutzmassnahmen sowie der Unterhalt optimiert werden.

Innovationsprojekt GEOL_BIM


Für die Umsetzung des Innosuisse- Projekts GEOL_BIM sind die Landesgeologie von swisstopo und das Institut Digitales Bauen FHNW unter der Leitung des Schweizer Geologenverbandes CHGEOL, der zu den Fachvereinen des SIA gehört, verantwortlich. Das Projekt ist breit abgestützt durch namhafte Unterstützung aus der Privatwirtschaft sowie von Behörden und Verbänden.


Mehr Informationen: 

chgeol.org/geol_bim


schutz-vor-naturgefahren.ch/bim

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