«We­sen­tlich ist ei­ne von der Be­völ­ke­rung na­ch­voll­zieh­ba­re Po­li­tik»

Wahlen 2023

Im Herbst finden die eidgenössischen Wahlen statt. Wer soll die Herausforderungen anpacken, die im Bereich Raumentwicklung, Klima und Energie auf uns zukommen? Wir haben politisch engagierte Planerinnen und Planer aller Parteien zu ihren Zielen befragt. Heute: Peter Dransfeld, Grüne, Thurgau.

Data di pubblicazione
28-07-2023

STECKBRIEF

 

Peter Dransfeld, geb. 1965, ist dipl. Architekt ETH Zürich. Er ist Inhaber und Leiter von dransfeldarchitekten AG, Ermatingen. Er kandidiert für den Nationalrat.

 

Parteizugehörigkeit: Grüne
Frühere politische Ämter: Gemeinderat, Fraktionspräsident im Kantonsparlament
Aktuelles politisches Amt: Kantonsrat Kanton Thurgau


Welches Ereignis hat Sie dazu motiviert, sich politisch zu engagieren?

Ich erinnere mich nicht an ein spezifisches Ereignis, aber an ein frühes und stetiges Interesse. Seit meiner Jugend lese ich regelmässig Zeitung und verfolge das politische Geschehen. Dass ich als junger Erwachsener, damals noch als Ausländer, nicht aktiv daran teilhaben konnte, hat mein Interesse nicht geschmälert. Ich wunderte mich, wie wenig Schweizerinnen und Schweizer von ihren politischen Rechten Gebrauch machten. Nach der Gemeindeversammlung im Dorf, an der ich noch nicht teilnehmen konnte, ging ich regelmässig in die Beiz, um zu hören, wie sie verlaufen war. Als ich dann, frisch eingebürgert, selbst die erste Gemeindeversammlung besuchen durfte, war ich bereits gewählter Gemeinderat.


Weshalb in dieser Partei?

Als Gemeinderat war ich acht Jahre lang parteilos. Erst mit der Wahl ins Thurgauer Parlament trat ich der SP bei, später folgte dann ein Übertritt zu den Grünen. An ihnen schätze ich die Offenheit für verschiedene Sichtweisen, die relative Unabhängigkeit gegenüber bestehenden Machtstrukturen und das konsequente Bekenntnis zur Nachhaltigkeit, das ich privat und beruflich seit Jahrzehnten verfolge. Ich pflege gleichzeitig regelmässigen und offenen Austausch über alle Parteigrenzen hinweg und beurteile nie Menschen oder Sachfragen aufgrund eines parteilichen Hintergrunds.


Hängt Ihre politische Motivation mit Ihrem Hintergrund bzw. Ihrer Tätigkeit in der Planungs- und Baubranche zusammen?

Ja, ich sehe da einen Zusammenhang. Als Planender macht man täglich gute und weniger gute Erfahrungen mit Gesetzen, Regelwerken und ihrer Umsetzung. Das hat mich motiviert, diese Rahmenbedingungen aktiv mitzugestalten.

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Welche Ziele wollen Sie in Ihrem aktuellen politischen Amt bzw. nach einer allfälligen Wahl in den Nationalrat erreichen?

Ich glaube, dass wir angesichts grosser und komplexer Strukturen in Politik und Verwaltung täglich darum kämpfen müssen, dass die Politik wirklich die Interessen der Bevölkerung vertritt, dass die Verwaltung fair, effizient und unbürokratisch arbeitet. Das mag banal klingen, ist nach meinen Erfahrungen aber nicht selbstverständlich – und doch essenziell für die Gestaltung unseres Gemeinwesens. Wesentlich ist für mich eine von der Bevölkerung mitgestaltete, zu ihrem Vorteil agierende und für sie nachvollziehbare Politik. Das ist mein übergeordnetes Ziel jeder politischen Arbeit.


Verfolgen Sie auch politische Ziele, die spezifisch mit dem Planungs- und Bauwesen zu tun haben? Wenn ja, welche?

Selbstverständlich beschäftige ich mich in der politischen Arbeit regelmässig mit Dingen, die meinem Beruf nahe sind. Fragen des Baurechts, der Raumplanung, der Energieeffizienz oder der Denkmalpflege sind ständige Themen. Am nächsten war ich ihnen, als ich im Thurgauer Parlament zwei Jahre lang der zuständigen Subkommission der Geschäftsprüfungskommission vorstand: Als erster parlamentarischer Vertreter für Fragen von Bau und Umwelt erlebte ich im engen Austausch mit Regierung und Verwaltung zugleich die Grenzen des Machbaren, aber auch sehr viel Gestaltungsspielraum, den wir besser nutzen könnten. Ich habe diesen in Fragen der Raumplanung, der Energieeffizienz und der Vergabepraxis und des CO2-Abdrucks unserer Bautätigkeit genutzt, aktuell bringe ich mich in der zuständigen Kommission für eine griffige, aber bürgernahe Denkmalpflege ein.


Warum sind diese Ziele relevant?

Ich will nicht das eine gegen das andere ausspielen. Bildungswesen, Soziales oder Finanzen sind ebenso wichtig; meine politische Arbeit betrifft gelegentlich auch Arbeitsbedingungen von Hebammen, das Polizeigesetz und die Volksschule. Dennoch: Bau- und Planungsfragen sind essenziell für unser Zusammenleben, für den Erhalt unseres Planeten. Dass ich mich darin engagiere, liegt auch daran, dass ich dank meinem beruflichen Hintergrund mehr erreichen kann.


Wie vermitteln Sie Ihre Ziele der Wählerschaft und anderen politischen Akteuren?

Ich bemühe mich um Glaubwürdigkeit – darum, auf Worte Taten folgen zu lassen. Was mir in Fragen von Bau und Umwelt politisch wichtig ist, lebe und praktiziere ich auch als Architekt. Und ich bemühe mich, verschiedene Sichtweisen zu respektieren, auf Polemik und Phrasen zu verzichten, auf nüchterne Fakten zu setzen, gelegentlich auch Klartext zu reden.


Werden Sie gehört?

Ich glaube durchaus, gehört zu werden. Ich darf mich regelmässig guter Wahlergebnisse erfreuen, so wurde ich 2019 auf den ersten Ersatzplatz für den Nationalrat gewählt. Und ich vernehme ein stetiges Echo auf meine politische Arbeit, im Bekanntenkreis, bei politisch Engagierten und in den Medien.


Braucht es mehr Planungs- und Baufachleute, die sich politisch engagieren? Warum?

Ja, ich wünsche mir tatsächlich eine bessere Vertretung unserer Branche in der Politik. Wir sind, verglichen etwa mit Landwirten, Juristen, Lehrerinnen oder Gemeindepräsidentinnen in den Parlamenten massiv untervertreten. Will die Politik den Menschen dienen, dann muss sie die Menschen kennen. Das bedingt eine breite Vertretung aller Berufsgattungen.


Weshalb ist es wichtig, dass Planungs- und Bauthemen in den politischen Diskurs einfliessen?

Schlicht und einfach, weil sie relevant sind.


Welchen spezifischen politischen Beitrag sollten Planungs- und Baufachleute im Dienst der Öffentlichkeit leisten?

Wer an den Dingen seiner Gemeinde nicht mitwirkt, ist nicht ein stiller, sondern ein schlechter Bürger. Dieses Zitat, das Perikles zugeschrieben wird, benennt die Kernfrage politischen Engagements. Wir Bau- und Planungsfachleute sind, genauso wie alle anderen, aufgefordert, uns einzubringen, in Vereinen und Verbänden, in Fachgruppen und Kommissionen. Politik geschieht nicht nur auf der grossen Bühne. Es sind mitunter die kleinen Schauplätze, die unsere Welt bewegen. Schauplätze, die all jenen offenstehen, die bereit sind, sich zu engagieren. Ein Votum in der Gemeindeversammlung, die Mitwirkung in einer Baukommission, ein kleines Engagement in einem Fachverband, die Arbeit im Quartierverein oder das Schreiben eines Leserbriefs sind vermeintlich unbedeutende Schritte. Sie aber sind es, die eine mündige Zivilgesellschaft unterscheiden von einem passiven Volk, das sich dirigieren lässt. Zivilcourage und Engagement, auch in kleinen Dingen, sind die Voraussetzungen dafür, dass Fehlentwicklungen frühzeitig korrigiert werden können, dass aus Mittelmass Qualität entsteht. In diesem Sinne glaube ich nicht an die Notwendigkeit eines ganz spezifischen politischen Beitrags unserer Branche, sondern vielmehr an die Notwendigkeit, sich generell mehr einzubringen. Tun wir das, dann werden wir relevante Fragen frühzeitig identifizieren, dann gelingt es uns, frühzeitig gute Antworten darauf zu finden.


Um welche Ziele zu erreichen?

Ziel unseres politischen Engagements seitens der Bau- und Planungsbranche ist nichts weniger als die Gestaltung unseres Lebensraums – der Welt, in der wir, unsere Kinder und unsere Enkel leben werden. Eine unendlich vielseitige, grosse und herausfordernde Aufgabe. Auch in ihrer politischen Komponente eine wunderschöne Aufgabe, für die sich, so hoffe ich, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen motivieren und begeistern können.

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