Sind wir fit für die Ener­giewen­de?

Wo müssen wir ansetzen, damit die Energiewende Realität wird? In einem Fachgespräch zum Thema: «Weiterbildungsinitiative des Bundes – wie muss Weiterbildung aussehen, damit wir die Ziele der Energiewende zu erreichen » unterhielt sich Roger Gmünder, Geschäftsführer des hochschulübergreifenden Weiterbildungs-angebotes EN Bau, mit ehemaligen Studierenden und gestandenen Fachpersonen.

Data di pubblicazione
24-04-2014
Revision
18-10-2015

Obwohl wir heute viel weiter sein könnten, ist in den letzten Jahren viel im Bereich des nachhaltigen Bauens geschehen, so ein Fazit des Gesprächs, das Ende März 2014 in Zürich stattgefunden hat. «Vor ­allem bei Neubauten haben wir grosse Fortschritte gemacht», kon­statiert Urs Rieder, Leiter der Abteilung Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern. «Wir wissen heute, wie man energieeffizient baut. Auch die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich MuKEn gehen in diese Richtung. Wir stehen nun an dem Punkt, an dem wir uns fragen müssen, ob noch strengere Vorschriften das Richtige sind oder ob wir nicht besser ambitiöse Zielwerte formulieren und den Pfad dazu offen lassen, damit wir neue und in­no­vative Wege beschreiten können.» 

Andererseits wurden 80% der insgesamt 1.6 Mio. Immobilien in der Schweiz vor 1980 gebaut und verbrauchen einen Drittel der schweizweit benötigten Energie. Die Erneuerungsrate im Bestand beträgt aber nur ca. 1.5% pro Jahr. Um die Energiewende zu schaffen, müssten Bestandsbauten in kleinen Schritten über eine Zeitspanne von bis zu 20 Jahren in energieeffizientere Gebäude transformiert werden. 

Erschwerende Besitzverhältnisse

Erschwert wird dieser Prozess ­häufig durch die Besitzverhältnisse: Einerseits gehören viele Einfami­lienhäuser älteren Ehepaaren, denen oft Wissen, Geld und Interesse ­fehlen, um an ihrem Haus etwas zu ändern. Andererseits gibt es die grossen Immobilienbesitzer, die ihre Entscheide durchwegs anhand der Rendite fällen. Da Nebenkosten für Heizung und Warmwasser auf die Mieter abgewälzt werden, sind Investoren selten daran interessiert, in diesem Bereich Einsparungen zu erzielen – auch wenn wir heute ohne konventionelle Heizungen bauen können. Deshalb müssen Planer eine projektspezifische Beratung bieten, die Wirtschaftlichkeit, langfristige Strategien sowie die Schaffung von Mehrwerten thematisiert.

Mangel an Fachkräften

Dafür braucht es mehr Planer, die sowohl Cracks in ihrem Bereich sind als auch Problemstellungen aus anderen Fachgebieten verstehen. Die Baubranche benötigt mehr gut ausgebildete Fachleute, die mit Kompetenz, Neugier und Lust das Potenzial der Technik ausschöpfen. Dazu braucht es eine Weiterbildung, die ständig am Puls der Zeit ist. Der MAS in nachhaltigem Bauen von EN Bau ist eines der wenigen Angebote zu diesem Inhalt auf Hochschulstufe (vgl. Vitrine S. 22). Die Nachfrage nach solchen Fachkräften ist zurzeit jedoch grösser als die Zahl der Abgänger. 

Politisches Engagement

Gut ausgebildete Fachpersonen müssen sich zudem an Schlüsselstellen engagieren, damit ihre nachhaltige Sicht in wichtige Entscheide einfliessen kann. «Wir Planende müssen Auftraggeber umfassend beraten, die Energiewende thematisieren und uns auch politisch in der Sache einbringen», meint Peter Schürch, Professor für Technik und nachhaltige, energieeffiziente Architektur an der Berner Fachhochschule. «Heute fehlen in Politik und Parlament unsere Stimme und unsere Kompetenz. Verbindliche Rahmenbedingungen sollten mit uns Planenden festgelegt werden.» Denn obwohl der Bund vorgibt, wie geplant werden soll, ­setzen die Kantone die Vorgaben oft nicht um. Es hapert an einer schweizweit gültigen Norm. Die ­Politik hinkt dem tatsächlichen ­Geschehen hinterher, anstatt mutig das Feld zu besetzen. Sie hat klare Rahmenbedingungen zu schaffen, mit langfristigen klugen Zielset­zungen, sodass Investoren wissen, wo die Anforderungen in 5, 10 oder 15 Jahren liegen. 

In der Schweiz haben wir das Wissen, das Geld und die handwerkliche Kompetenz, um neue nachhaltige Wege im Bau zu beschreiten. Setzt die Politik verbindliche Rahmenbedingungen, könnte die Schweiz weltweit als Pionierin im nachhaltigen Bauen wahrge­nommen werden und letztlich dieses Wissen exportieren. 

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