Frisches Futter für Aarau
Neubau KIFF Aarau, einstufiger Wettbewerb im selektiven Verfahren
Das KIFF ist ein Leuchtturm in der Aargauer Kulturlandschaft. Nun genügt die mittlerweile baufällige Architektur der alten Futterfabrik den gestiegenen Ansprüchen nicht mehr. Ein Neubau muss her.
Ende der 1980er-Jahre entstand in Aarau das Bedürfnis nach kulturellen Freiräumen. Zeitgleich wurde die Kunath Futter AG nach Burgdorf verlegt. Die Kulturschaffenden bekamen die Möglichkeit, die Futterfabrik im Telli-Quartier umzubauen und zu beziehen. Seit 1991 hat der Verein KIFF – IG Kultur das Gebäude von der Immotelli AG gemietet. Während der Kultursaison finden hier an die 200 Konzert-, Tanz- und Kleinkunstveranstaltungen statt, die von über 40 000 Menschen besucht werden.
Neue Anforderungen
Auf dem gesamten Immotelli-Areal sind grössere Umwälzungen im Gang, die Bausubstanz ist alt und baufällig, und die Ansprüche an einen Veranstaltungsbetrieb sind laufend gestiegen. Mittlerweile ist klar: Die bisherige Nutzung kann nur noch für kurze Zeit im aktuellen Gebäude weiterlaufen.
In Gesprächen mit der Grundbesitzerin wurde 2016 deutlich, dass ein Neubau nötig ist. Das KIFF 2.0 wird auf dem Telli-Areal bleiben, südlich des jetzigen Standorts. Das Bauland wird von der Eigentümerin im Baurecht zur Verfügung gestellt. Nach der Erarbeitung des neuen Raumprogramms erstellten SSM Architekten aus Solothurn in Zusammenarbeit mit dem KIFF-Projektteam eine Machbarkeitsstudie für den Neubau. Für die Neugestaltung wurde im Februar 2019 ein öffentlicher, anonymer Projektwettbewerb im selektiven Verfahren ausgeschrieben. Aus 106 eingegangenen Bewerbungen lud man elf Teams zum Wettbewerb ein, darunter vier Nachwuchsteams. Die Jury empfahl das Projekt «Live On Stage» von Enzmann Fischer Partner einstimmig zur Weiterbearbeitung.
Ein Hof als Zentrum
Das Architekturbüro nutzt ein L-förmiges Neubauvolumen, um einen gefassten halböffentlichen Aussenraum zu schaffen. Der Hof ist mit Biergarten, Erschliessung, Anlieferung und Veranstaltungsort ein multifunktionaler Bereich mit informeller Atmosphäre. Diese Vorzone entspricht den Anforderungen eines Kulturbetriebs. Bei der Gestaltung orientierten sich die Architekten an umgenutzten Gewerbebauten aus den 1960er-Jahren. Die konventionelle Massivbauweise mit einer einfachen hinterlüfteten Blechfassade ermöglicht eine wirtschaftliche Realisierung. Dieser «Retrolook» wurde von der Jury kontrovers diskutiert: Sie empfiehlt eine zeitgemässe Architektursprache mit mehr gestalterischen Ambitionen, die sich nicht primär an reaktivierter Industriearchitektur orientiert.
Die funktionalen Abläufe lassen sich gut in den Grundrissen ablesen. Die Jury schlägt dennoch einige Punkte zur Verbesserung vor. In der Eingangszone werden die Besucherströme gut geführt und entflochten. Jedoch ist der Hauptzugang zum Saal zu eng bemessen. Denkbar wäre, den jetzigen Zugang Richtung Norden zu vergrössern oder einen zweiten in das Konzept zu integrieren.
Die Organisation der Auf- und Abbauzone ist zu optimieren; der Kassen- und Garderobenbereich soll redimensioniert und in Abstimmung mit der Bauherrschaft neu angeordnet werden. Das Fumoir sollte nicht nur vom Saal aus zugänglich sein. Auch bei den Parkflächen ist eine nochmalige Überarbeitung erwünscht. Zu prüfen ist ferner, inwieweit sich der Lärm aus den Laubengängen störend auf die umliegenden Stadtraum auswirkt.
Als besondere Qualität hebt die Jury die Aussenanlagen hervor – die Gastronomie mit der prominenten Treppenanlage verspricht, im KIFF 2.0 eine sympathische Atmosphäre zu schaffen. Die grosszügigen Terrassen und Balkone, über eine Treppe mit dem Innenhof verbunden, erschliessen alle Elemente flexibel und ermöglichen ungezwungene Begegnungen.
Während sich die Architekten also mit der Gestaltung des Hofs intensiv auseinandersetzten, schenkten sie der Rückseite offenkundig weniger Beachtung, und an der Nordseite droht eine fensterlose Brandwand. Angesichts der hohen Kosten schlägt die Jury eine Überarbeitung des Konzepts vor, was die Raumverschachtelungen in der Horizontalen und der Vertikalen betrifft. Niedrigere Saalhöhen und eine Reduzierung des Minergie-P-Eco-Standards auf Minergie-Eco-Standard können zusätzlich Kosten senken.
Modulares Herzstück
Insgesamt verspricht das neue KIFF durch konzeptionelle und technische Massnahmen ein qualitativ hochstehendes Konzerterlebnis für die Besuchenden und ideale Auftrittsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler. Das modulare Zusammenspiel der Veranstaltungsräume bis hin zur Gastronomie ist das Herzstück des KIFF 2.0.
Weitere Pläne und Visualisierungen zu diesen Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch
Auszeichnungen
1. Rang / 1. Preis: «Live On Stage»
Enzmann Fischer Partner, Zürich; HKP Bauingenieure, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Firebird»
pool Architekten, Zürich; dsp Ingenieure + Planer, Uster
3. Rang / 3. Preis: «New Wave»
MAK architecture, Zürich; Ribi + Blum, Romanshorn
4. Rang / 4. Preis: «Kulturverteilzentrum Aarau»
PenzisBettini Architekten, Zürich; APT Ingenieure, Zürich
FachJury
Andrea Graf-Spörri, Architektin, Bern; Jan Hlavica, Architekt, Stadtbaumeister Aarau; Reto Mosimann, Architekt, Solothurn; Mathias Müller, Architekt, Zürich; Tivadar Puskas, Ingenieur, Basel / Zürich / Bern; Robert Alberati, Architekt, Zofingen (Moderation / Ersatz)
SachJury
Oliver Dredge, Geschäftsleitung KIFF, Aarau (Vorsitz); Patrick Häberli Geschäftsführer Solver Productions, Aarau; Mercedes Lämmler, wissenschaftliche Mitarbeiterin Abteilung Kultur Kanton Aargau, Aarau; Gisela Roth, Präsidentin KIFF, Suhr; Simon Kaufmann, Geschäftsleitung KIFF, Aarau (Ersatz)