Be­schränk­te Mit­tel, ein­fa­che Tu­gen­den

Verdichtung Pappelhöfe, Langenthal BE

Hochwertige Baukultur zu erhalten und bezahlbaren Wohnraum zu wahren sind öffentliche Anliegen an die Immobilienwirtschaft. Die Wohnbaugesellschaft Langeten kombiniert diesen Spagat mit einer leichten Verdichtung.

Data di pubblicazione
21-09-2020

Erschwerende Umstände bilden den Rahmen für die geplante Verdichtung eines über 70-jährigen Gartenstadtquartiers in Langenthal BE. Teile der gemeinschaftlichen Wohnsiedlung sind denkmalpflegerisch relevant und deshalb vor dem Abbruch geschützt. Der Standort selbst besitzt zwar hohe Wohnqualitäten, doch das Ertragspotenzial im Berner Mittelland wird von Immobilienökonomen als eher schwach beurteilt. Für neue Wohnungen werden Mietmaxima unter 200  Fr./m2 HNF geschätzt. Trotzdem machen sich die lokale Bauherrschaft, die WBG Langeten, und der Berner Architekt Rolf Mühlethaler gemeinsam daran, das nicht ganz 1 ha grosse Wohnareal sorgfältig und in hoher Qualität zu transformieren.

Die Wahl der beschränkten Mittel beeinflusst zum einen die Organisation der planerischen Leistung: Projektierung und Ausführung laufen parallel an, was ein gewisses Risiko birgt. Zweck der Vorleistung ist aber, bessere Aussagen über die Kostensicherheit zu erhalten. Zum anderen prägt die Kostenlimite auch Städtebau und Architektur: Einfache Baukörper mit minimalem Aussenwand­anteil und wenige, beständige Bauteile so repetitiv wie möglich einzusetzen sind wesentliche Elemente der Optimierungsstrategie.

Im Ausgangszustand umfasst die Wohnsiedlung zehn Mehrfamilienhäuser, wovon vier durch grössere Neubauten ersetzt werden sollen. Die Zahl der Wohnungen wird von 24 auf 32 erhöht. Zwischen diejenigen Häuserpaare, die erhalten bleiben, werden zusätzlich drei Langbauten aus Holz eingefügt. Darin finden 14 Atelier- und Kleinwohnungen Platz, die jeweils zwei Stockwerke belegen. Mit dieser architektonisch und städtebaulich sorgsamen Verdichtung wird die Zahl der Wohneinheiten um ein Drittel erhöht; die Ausnützungsziffer im weiterhin durchgrünten Areal soll sich von heute 0,34 auf fast 0,7 verdoppeln.


TEC21: Samuel Gerber, was will die Wohnbaugesellschaft mit der Transformation der Gartensiedlung erreichen?

Samuel Gerber: Der Standort soll zusätzlichen Wohnraum erhalten, in einem einfachen, relativ preisgünstigen Segment. Wir denken an einen Mix an Wohneinheiten mit kinder- und ­altersfreundlichem Angebot in ansprechender Umgebung, kombiniert mit einem ökologischen Umgang mit Ressourcen.

TEC21: Wie erreichen Sie das?

Zum einen realisieren wir neue Holzbauten. Zum anderen sind eine Energieversorgung mit Holzschnitzel-Zentralheizung und die lokale Stromproduktion mit Photovoltaik vorgesehen

TEC21: Wie ist es zu diesem Vorschlag für die Siedlungstransformation gekommen?

Samuel Gerber: Der Architekt erhielt einen Direktauftrag für eine Testplanung zur Erneuerung der teilweise denkmalgeschützten Siedlung. Eine weitere Vorgabe der Bauherrschaft war die Erstellung preisgünstiger Wohnungen. Das Resultat dieser Testplanung hat Bauherrschaft und die Behörden der kantonalen Denkmal­pflege und der Stadt Langenthal gleichermassen zufriedengestellt. Deshalb wurde auf ein offenes Auswahlverfahren verzichtet; stattdessen hat die ­Genossenschaft dem Architekten nun einen Generalplaner zur Seite gestellt.

TEC21: Eine Vorgabe ist das Budget von 25 Mio. Franken. Ist das Projekt auf Kurs?

Samuel Gerber: Ja, nach Abschluss der Bauprojektphase liegen die Kosten darunter. Eine Toleranz gibt es jedoch nicht, weil die Ermittlung der maximalen Investitionskosten sehr sorgfältig analysiert und kalkuliert wurde. Die Mietlimite von 195 Fr./m2 HNF ist aber nur erreichbar, weil die Wohnbaugesellschaft das Gesamtkapital mit 1 % verzinst. Dazu wird der Wert des Grundstücks allerdings mit null Franken verbucht.

TEC21: Ist Bauen in Langenthal so teuer?

Samuel Gerber: Weder die Denkmalpflege noch das kleinmassstäbliche Bauen sind relevante Hürden. Der Standort ist das Problem: Wohnraum in Langenthal ist gesamtschweizerisch ein äusserst ertragsschwacher Business-Case. Nur gemeinnützige Wohnbauträger können hier zu solchen Konditionen investieren. Für institutionelle Anleger wäre das Projekt viel zu unrentabel.

TEC21: Wäre ein kompletter Ersatz wirtschaftlich und qualitativ einfacher gewesen?

Samuel Gerber: Grundsätzlich kann man im Betrieb sparen, wenn die Erschliessung der Wohnhäuser effizienter wäre oder man grösser gebaut hätte. Trotzdem haben wir so etwas nie erwogen, weil wir die mit der Stadt und der Denkmalpflege vereinbarte Überbauungsordnung akzeptieren. Sie passt zu diesem Standort. Doch die Helden des Projekts sind nicht der Kanton Bern oder die Stadt Langen­thal, sondern die WBG Langeten und der Architekt Rolf Mühlethaler. Vor allem die Planer nahmen die herausfordernde Umsetzung positiv an. Architekten und Ingenieure haben die Baukommission immer wieder mit kreativen Vorschlägen überzeugt, wie die Qualität ver­bessert und gleichzeitig die Kosten reduziert werden konnten.

Pappelhöfe, Langenthal BE


Nutzung: 10 Wohnhäuser, 94 Wohneinheiten
(4 Ersatzneubauten, 3 neue Langhäuser)

Eigentümer: Wohnbaugesellschaft WBG Langeten, Langenthal

Projektleiter: Samuel Gerber, Raumbewältigung, Herzogenbuchsee BE

Architektur: Rolf Mühlethaler Architekten, Bern

Realisierung: 2017 –2022

Arealfläche: 11 095 m2

Bruttogeschossfläche: 7462 m2

Kosten: 25 Mio CHF

Auftragsvergabe: Testplanung; Auswahlverfahren
für Generalplanerteam


Energieversorgung

Wärme: Holzschnitzel-Zentralheizung

Strom: Photovoltaik

Mit Unterstützung von energieschweiz sind bei espazium –Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»
 

Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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