Ein ur­ba­ner Pol aus fünf In­seln

Arealentwicklung Oassis, Crissier VD

Die nachhaltige Siedlungs­entwicklung benötigt zusätz­liche Akzente, beispielsweise mit einer Konzentration von Nutzungsformen: Das neue Quartier Oassis vereint die urbane Dichte mit vielfältiger Aufenthaltsqualität.

Data di pubblicazione
22-09-2020

Die Agglomeration im Westen von Lau­sanne wandelt sich stark und rasch. Um dieser Entwicklung eine Identität zu geben und Räume mit hoher Lebensqualität zu schaffen, sind dichte, durchmischte Quartiere gesucht, die auf verschiedene Arten, unter anderem zu Fuss und per Velo, erreichbar sind. Einen derartigen Pol soll die Grosssiedlung «Oassis» in Crissier bilden, die auf der Achse zwischen dem Stadtzentrum von Lausanne und dem Vor­ort Morges liegt.

Die Neuüber­bauung besteht aus acht unterschiedlich geformten Baukörpern; städtebaulich teilen sie das Areal in fünf Einheiten auf, in ­offene Wohninseln, ein Dienstleistungszentrum und einen öffentlichen Garten. Gemeinsam unterstreichen sie den diversifizierten Charakter und die funktionale Transformation der neuen Adresse. Realisiert wurde die Arealentwicklung auf einer Baulücke, umgeben von Strassen und unstrukturiertem Siedlungsrand. Die Erwartung an den jungen Siedlungspol ist, den bislang von Zersiedlung geprägten Standort aufzuwerten und zu gliedern.

Die drei blockrandförmigen Wohnbaupaare beherbergen 450 Wohneinheiten mit 1 ½ bis 4 ½ Zimmern. Ein Charakteristikum der geknickten Riegel ist ihr deutlicher Kontrast zwischen aussen und innen. Die Schaufassaden sind mineralisch geprägt, mithilfe von Beton­fertig­teilelementen. Die Innenhöfe sind von Metallfassaden mit leichterem Ausdruck eingefasst. Der seitlich davon gesetzte Bürokomplex folgt der umgekehrten ­Logik: Aussen dominiert eine leicht wirkende Verglasung; das Atrium im Gebäudekern ist mineralisch eingefasst.

Dichte und Durchlässigkeit

Die Gebäudeblocks folgen der Geometrie der umlaufenden Strassen und halten sich in der Vertikalen an die Dimension der Nachbarbauten. So schützen sie ­zum einen das Siedlungszentrum vor Lärm­immissionen und definieren zum anderen eine städtische Allee. Die Höhe der Neubauten schwindet nach Süden, der natürlichen Neigung des Geländes folgend. Diese Strategie verstärkt die privilegierte Exposition der Fassaden entsprechend ihrer Ausrichtung.

Ebenso sind die Blockrandbauten und ihre Innenhöfe Teil eines urbanen Gefüges, das für die übergeordneten Verbindungswege durchlässig bleibt. So findet das Herz des Neubauviertels über öffent­liche Fussgängerzonen und -passerellen Anschluss an den Siedlungsraum von Crissier im Norden des Oassis-Quartiers. Eine ÖV-Haltestelle befindet sich am Südrand des urbanen Standorts. Direkt daneben bleibt ein grosszügiger Raum für den öffentlich zugänglichen Garten ausgespart. Dieser Freiraum beherbergt auch das Nachbarschaftshaus, in dem eine Mediathek, ein Jugendzentrum und ein Mehrzweckraum eingemietet sind. Kombiniert mit der externen Nutzung aller Erdgeschosse trägt diese Mischung zur positiven Dynamik des öffentlichen und halböffentlichen Siedlungsraums bei.

Das neue Stadtquartier unterscheidet angemessen zwischen verschiedenen Arten von gestalteten Freiflächen. Dies erhöht die Vielfalt der miteinander verbundenen öffentlichen Räume und dient als zusätzlicher Puffer für halbprivate Siedlungsbereiche. Die Innenhöfe der Blockrandbauten weisen jeweils voneinander unterscheidbare Parks auf, mit öffentlich zugänglichen Zonen und siedlungsinternen Rückzugsbereichen. Die Bepflanzung bedient sich des Angebots an einheimischer Vegetation. Auch die Flachdächer sind dem Aussenraum zuzurechnen; auf fast allen Gebäuden stehen Flächen für Urban Gardening zur Verfügung.

Ein energetisches Microgrid

Bereits in der Wettbewerbsphase wurde ein Nachhaltigkeitsprogramm definiert, das in den Quartierentwurf zu integrieren war. Die Morphologie der Baukörper und die thermische Qualität der Gebäudehülle tragen deshalb dazu bei, den Wärmebedarf zu begrenzen und die passiven Solargewinne zu steigern. Das neue Quartier bezieht Fernwärme aus einem regionalen Biomasse-Kraftwerk, wofür jährlich etwa 10 000 t Holzabfälle verwertet werden. Zusätzlich wurde, verteilt auf vier Dächer, eine riesige Photovoltaikanlage mit 1650 Photovoltaikmodulen und einer Fläche von fast 2600 m2 installiert. Sie soll gemäss Planungsprognose jährlich fast 0.5 Mio. kWh Strom erzeugen. Haushalte und Gewerbemieter des Quartiers Oassis sind zu einem privaten «Microgrid» zusammengefasst, das vom regionalen Energieversorger betrieben und auf die Optimierung des Eigenverbrauchs ausgerichtet wird.

Oassis, Crissier VD


Nutzung: 8 Gebäude, 610 Wohneinheiten, Geschäftsflächen
Bauherrschaft: Patrimonium, Crissier (Einheiten A, B, C, D), Gemeinde Crissier (Einheit E)
Totalunternehmer: Losinger Marazzi, Crissier
Masterplan Areal: Bauart Architekten und Planer Bern, Neuenburg, Zürich
Architektur: Bauart (Einheiten A, B, D, E),
KCAP Zürich (Einheit C)
Tragwerksplanung: MP Ingénieurs Conseils / 
CSD Ingénieurs /sd ingénierie
Landschaftsarchitektur: Hüsler & Associés, Lausanne
Verfahren: Parallelstudien 2012
Realisierung: 2017 –2021
Kosten: ca. 200 Mio CHF
Bruttogeschossfläche: 76 700 m2
Wärme: Fernwärme aus Biomasse
Strom: Photovoltaik

Mit Unterstützung von energieschweiz sind bei espazium –Der Verlag für Baukultur folgende Sonderhefte erschienen:

Nr. 1/2018 «Immobilien und Energie: Strategien im Gebäudebestand – Kompass für institutionelle Investoren»

Nr. 2/2019 «Immobilien und Energie: Strategien der Vernetzung»


Nr. 3/2020 «Immobilien und Energie: Strategien der Transformation»
 

Die Artikel sind im E-Dossier «Immobilien und Energie» abrufbar.

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