Gemeinden und Städte baukulturell beraten – aber wie?
Das Bundesamt für Kultur (BAK) möchte ein Beratungsangebot im Bereich der Baukultur für Gemeinden und Städte etablieren. Eine Studie des SIA liefert dazu Grundlagen.
Gemeinden und Städte haben einen grossen Einfluss auf die Baukultur, sei es als Gesetzgeberinnen, als Beraterinnen privater Bauherrschaften, als Baubewilligungsbehörden, als Planungsinstanzen oder als Bauherrinnen mit Vorbildfunktion. Häufig sind die Ressourcen jedoch gering, oder es mangelt an den erforderlichen Fachkompetenzen. Insbesondere bei kleineren und mittleren Gemeinden bestehen Potenziale für eine Verbesserung der baukulturellen Qualität.
Das Bundesamt für Kultur (BAK) möchte deshalb ein Beratungsangebot für Gemeinden und Städte etablieren. Hintergrund ist die Interdepartementale Strategie zur Förderung der Baukultur, die der Bundesrat im Februar 2020 verabschiedete. In der Strategie legte der Bund 41 Massnahmen fest, um eine hohe Baukultur nachhaltig zu fördern. Dazu zählt auch ein baukulturelles Beratungsangebot für Gemeinden und Städte. Die Umsetzung dieser Massnahme erfolgt ab 2021 mit Mitteln der Kulturbotschaft 2021–2024. Vorgesehen sind dafür 250'000 Franken pro Jahr.
Adressatensicht von Anfang an einbezogen
In einem komplexen föderalen Staatsgefüge und einem ebenso komplexen privaten Akteursfeld ein wirksames baukulturelles Beratungsangebot für Gemeinden und Städte zu etablieren ist eine anspruchsvolle Herausforderung, vor allem, wenn das Budget überschaubar ist. Um Erfolg versprechende Ansätze zu ermitteln, beauftragte das BAK den SIA im März 2020 mit einer Studie zum Bestand und Bedarf eines Beratungsangebots im Bereich Baukultur.
Die Studie liegt nun vor. Wichtig war, von Anfang an die Adressatensicht einzubeziehen. Neben dem BAK gab es deshalb eine enge Kooperation mit dem Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) und dem Schweizerischen Städteverband (SSV). Eine Resonanzgruppe mit weiteren Organisationen ermöglichte es, die Perspektive verschiedener Staatsebenen und Interessengruppen ergänzend zu integrieren.
Die Studie startete im Frühjahr 2020 mit insgesamt 20 leitfadengestützten Interviews mit Mitgliedern der Resonanzgruppe. Auf dieser Basis wurden fünf zentrale Handlungsfelder definiert: «Bedeutung und Verständnis von Baukultur», «Aktuelle baukulturelle Herausforderungen», «Gegenstand und Art der Beratung», «Aus- und Weiterbildung der Akteure» sowie «Regionale Lösungsansätze». Dabei ergaben sich zahlreiche Ansatzpunkte für das im Rahmen der Strategie Baukultur vorgesehene Beratungsangebot.
Von besonderer Relevanz für SIA-Mitglieder: Teilweise wurde ein grösseres Interesse von Architektinnen und Architekten gewünscht, sich die Beratung von Gemeinden und Städten in strategischen Fragen der Baukultur zur Aufgabe zu machen und dort entsprechende Kompetenzen auszubauen. Auch bei Raumplanungsbüros wurde teilweise Verbesserungspotenzial gesehen. Da häufig gar nicht von Planerinnen und Planern gebaut wird, wurde ausserdem angeregt, dafür Werbung zu machen, mit einer Architektin oder einem Architekten zu bauen.
Eine erste Onlineumfrage innerhalb der Resonanzgruppe bereitete eine zweite Umfrage unter Gemeinden und Städten vor. Letztere umfasste 41 Fragen und fand im Spätsommer 2020 statt. Es nahmen 490 Gemeinde- und Städtevertreterinnen und -vertreter teil, davon 373 in deutscher, 87 in französischer und 30 in italienischer Sprache.
Über 76 % der Teilnehmenden gaben an, dass Baukultur für ihre Gemeinde oder Stadt wichtig, sehr wichtig oder extrem wichtig sei. Gut zwei Drittel sagten, dass ihre Gemeinde oder Stadt über eine Fachstelle oder eine Fachperson im Bereich Planen und Bauen verfüge. Gut 60 % der Teilnehmenden stimmten ausserdem der Aussage zu, dass es ein baukulturelles Beratungsangebot für Gemeinden und Städte brauche. Bei der Aussage «In meiner Gemeinde oder Stadt ist der Bedarf an Beratung gross» ergab sich hingegen eine Zweiteilung: Jeweils gut 40 % der Befragten bejahten oder verneinten dies.
Bodenständigkeit gefragt
Aus Sicht von Gemeinden und Städten ist es wichtig, das Beratungsangebot in eine umfassende Sensibilisierungs- und Bewusstseinskampagne für Baukultur sowie in eine übergreifende politische Verankerung einzubetten. Wichtige Inhalte von Beratungsangeboten sind die Innenentwicklung, die Verbindung von Alt und Neu sowie das Bauen ausserhalb der Bauzone, auch in Zusammenhang mit dem Themenkomplex öffentlicher Raum/Städtebau/Stadtplanung und Landschaftsarchitektur. Für die Beratung ist Bodenständigkeit ein zentraler Erfolgsfaktor: Die Aussage «Beratung muss bodenständig sein, sowohl vom Auftreten der Beratenden als auch vom Anspruch (fachlich hochstehend, ohne überall Leuchttürme realisieren zu wollen)» erzielte mit knapp 89 % die höchste Zustimmung innerhalb der gesamten Umfrage.
Hohe Priorität haben aus der Perspektive von Gemeinden und Städten ausserdem ein Überblick über vorhandene Beratungsangebote, konkrete Handlungsanleitungen, unabhängige und niederschwellige Angebote, die Vermittlung guter Projekt- und Verfahrensbeispiele sowie der Zuschnitt von Beratungsangeboten auf den Einzelfall beziehungsweise auf einzelne Fachgebiete und konkrete Zielgruppen. Dieser Zuschnitt steht teilweise in einem Zielkonflikt mit dem in der Umfrage ebenfalls geäusserten Bedarf, zu konsolidierten Gesamtsichten zu kommen.
Den grössten Bedarf hinsichtlich baukultureller Aus- und Weiterbildungsangebote sehen Gemeinden und Städte bei Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten sowie beim Personal von Bauverwaltungen. Eine hohe Priorität messen sie schliesslich regionalen Lösungen, Plattformen für den Austausch untereinander sowie regionalen Bauberaterinnen und -beratern zu.
Lücken und Chancen
Eine Einordnung von bestehenden Beratungsangeboten auf Basis der Interviews, Onlineumfragen und weiterer Recherchen ergab, dass das gegenwärtige baukulturelle Beratungsangebot für Gemeinden und Städte bruchstückhaft ist. Die vorhandenen Angebote decken meist nur einen begrenzten Ausschnitt ab, sind häufig wenig miteinander verknüpft, und die Einbettung in ein ganzheitliches Verständnis von Baukultur ist oft nicht erkennbar. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden für die baukulturelle Beratung ausserdem nur wenig genutzt. Zugleich wäre mehr persönliche Beratung gut.
Ein Austausch mit Expertinnen und Experten aus dem europäischen Ausland ergab Hinweise, wie sich nationale Impulse und lokale oder regionale Initiativen wechselseitig verstärken. Interessante Ansätze sind dabei die Förderung der regionalen Kooperation, die Implementierung lokaler oder regionaler Baukulturstrategien und der Einsatz teils physischer, teils virtueller Formate als Chance für mehr baukulturelle Beteiligung.
Download der Studie:
www.bak.admin.ch/beratung
Französische Kurzfassung:
www.bak.admin.ch/conseil
Italienische Kurzfassung:
www.bak.admin.ch/consulenza