Die kleine Schule in der grossen Schule
Erweiterung Hebelschulhaus, Riehen; Projektwettbewerb im selektiven Verfahren
Im Lauf der Zeit wurde das in den 1950er-Jahren erbaute Hebelschulhaus von Rasser & Vadi Architekten immer wieder erweitert und den neuen Anforderungen an die Pädagogik angepasst. Nun steht eine weitere wegweisende Erneuerung an. Rahbaran Hürzeler Architekten haben die anspruchsvolle Aufgabe mit wenigen, aber gezielten Eingriffen gelöst.
Die Devise des Siegerteams Rahbaran Hürzeler Architekten für den Wettbewerb zur Erweiterung des Hebelschulhauses in Riehen BS lautet «Keeping what’s good». Zu bewahren, was Qualität hat, trifft den Nerv der Zeit. Darüber hinaus knüpft ihr Entwurf an das durch Anpassungen und Erweiterungen geprägte Konglomerat von Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen an.
Die in den 1950er-Jahren von Rasser & Vadi Architekten gebaute Pavillonschule besteht aus einem Haupttrakt und zwei Seitenflügeln, die die Klassenräume aufnehmen. Auf der Südseite schliesst eine Turnhalle an, die im Zuge der Gesamtsanierung von 2011 bis 2014 zu einer Aula umgebaut wurde. Verantwortliche Architekten waren MET Architects, die zudem den ehemaligen Zeichensaal zu einer offenen Bibliothek umfunktionierten (vgl. TEC21 39/2015). Bereits 1994 ergänzte der Architekt Rolf Brüderlin den Haupttrakt an der Nordseite mit einem Holzbau (Trakt A). Zwei Jahre danach errichteten die Architekten Steinegger, Hartmann und Stula südlich davon die neue Dreifachsporthalle Niederholz, die zusammen mit den anderen Trakten die Hebelmatte als wichtigen Grün- und Freizeitraum einfasst.
Auf der Südseite des Schulareals befinden sich drei der «Nielsen-Bohny-Pavillons» aus den Nachkriegsjahren. Hans Bernoulli hatte diese Holzpavillons so entworfen, dass sie zerlegt und an anderen Standorten wieder aufgebaut werden können. Derzeit dienen sie als Schulräume für die angrenzende Sekundarschule Niederholz, die sich ebenfalls im Umbau befindet.
Zwei weitere Provisorien besetzen heute die Hebelmatte, die bis zur Vollendung der Schulhauserweiterung die Kindergartenräume aufnehmen. Ursprünglich als Sekundarschule gedacht, ist das Gebäude heute eine reine Primarschule.
All diese Veränderungen und Anpassungen haben der Architektur von Rasser & Vadi aber nicht etwa geschadet, sondern das Konzept gestärkt. In diesem Sinn kann auch die nächste Erweiterungsetappe gelesen werden. Diese ist notwendig, denn die Zahl der Schülerinnen und Schüler nimmt kontinuierlich zu und der Raumbedarf steigt aufgrund der geforderten Tagesstrukturen sowie neuen pädagogischen Anforderungen. Dies führt dazu, dass das Schulhaus von zwei auf vier Züge erweitert und zusätzlicher Raum zur Verfügung gestellt werden muss. Um die Überschaubarkeit der Anlage zu gewährleisten, entschied die Schulleitung, sechs Cluster zu bilden. Diese sind in je vier Klassenzimmer und Gruppenräume gegliedert, ergänzt durch Spezialräume, Tagesstruktur und einen Besprechungsraum für das Lehrpersonal. Die erweiterte Schulanlage bietet Raum für insgesamt 25 Klassen und rund 500 Schülerinnen und Schüler. Für diese anspruchsvolle Aufgabe unter dem Motto «Die kleine Schule in der grossen Schule» schrieb die Einwohnergemeinde Riehen einen einstufigen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren gemäss der Ordnung SIA 142 aus.
Vielfalt im Angebot – und doch sehr flexibel
Gesucht waren nicht nur innovative und entwicklungsoffene Lösungen für die Erweiterung, sondern ein pädagogisch-räumliches Konzept, das auf die langfristigen Veränderungen des Hebelschulhauses reagieren kann. Das Projekt soll räumlich flexibel und für die Weiterentwicklung der Pädagogik oder für alternative Nutzungen ausserhalb des Schulbereichs anpassbar sein. Die für den Unterricht und die Betreuung vorgesehenen Innen- und Aussenräume mussten gleichzeitig eine hybride und öffentliche Nutzung zulassen. Zur Erhöhung der langfristigen Nutzungsflexibilität sollten die Trennwände zwischen den Räumen im Cluster angepasst werden können.
Diesen und allen weiteren Zielsetzungen entspricht das Siegerprojekt von Rahbaran Hürzeler Architekten. Es zeigt viele Angebote auf, lässt aber auch die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie man diese nutzt. Der Entwurf stärkt die Bedeutung der Hebelmatte als Grünraum für das Quartier. Mit der Aufstockung der Dreifachsporthalle in Form einer eingeschossigen Sheddach-Halle wird eine Lernlandschaft in Atelierstruktur angeboten, deren offenes Innenleben flexibel einteilbar ist. Die überhohen Räume bieten ein stimmiges und anregendes Lernumfeld, was ein alternatives Angebot zu den bestehenden Schulräumen darstellt.
Aber auch vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und klimatischen Wandels ist das Projekt die beste Wahl: «Keeping what’s good» sei eine Art Reparaturmassnahme, so der Jurypräsident Matthias Ackermann. Das Projekt überzeuge mit einem sehr kleinen Fussabdruck im Vergleich zu den anderen eingereichten Beiträgen. Das Konzept verbrauche wenig Land, es greife kaum in die Denkmalsubstanz ein und der Trakt A werde nicht abgerissen, sondern ergänzt. Und das, obwohl dies gemäss Wettbewerbsprogramm möglich gewesen wäre. Damit orientiert sich der Längsbau mit einem neuen Gesicht zur Hebelmatte.
Der Aufbau auf der bestehenden Dreifachsporthalle integriert sich sowohl im Massstab als auch in seiner Gestaltung in die Schulanlage. So werden zwei bestehende Treppen in der Aufstockung weitergeführt. Ergänzt durch die beiden neuen, südseitig angeordneten Fluchttreppen bilden sie die innere Erschliessung; diese fasst im Erdgeschoss drei Hallen, die sich zum Schulareal öffnen.
Kleiner Fussabdruck
Neben Rahbaran Hürzeler Architekten wurden zwei weitere Projekte prämiert; alle lassen die Hebelmatte unbebaut. Das zweitplatzierte Team der ARGE Valentin Lang Architekt und David Späh Architekt aus Zürich ersetzt den Trakt A durch einen Neubau. Das Split-Level darin findet die Jury zwar interessant, doch die spezifische Form der Räume macht sie weniger flexibel als diejenigen des Siegerprojekts. Das Konzept erfüllt zudem die Brandschutzvorschriften nicht und müsste in wesentlichen Teilen überarbeitet werden.
Der prägnante Neubau im Konzept des drittrangierten Projekts von Stadler Zlokapa aus Basel wirkt selbstbewusst: Er schliesst die Hebelmatte zur Strasse und damit zum Quartier ab, schränkt damit aber auch die Durchlässigkeit des Schulareals ein. Dies kann auch nicht durch die von aussen erschlossenen Treppenhäuser aufgewogen werden. Leider sei das Konzept zu starr und zu wenig flexibel, so die Jury.
Anders als viele der eingereichten Beiträge wird der städtebauliche Ansatz des Siegerprojekts aus dem Freiraum gedacht. Dessen Zonierung ermöglicht den Erhalt der meisten Bäume, die schlüssig ergänzt werden, insbesondere vor dem neuen Eingangsbereich der Schulerweiterung. Die zentrale Rasenfläche bleibt als Spiel- und Parkfläche erhalten – sowohl für die Schule als auch für die Nachbarschaft.
Vorbildlich ist aber auch der Umgang mit dem Bestand wie den denkmalgeschützten Schultrakten von Rasser & Vadi Architekten und dem Holzbau von Rolf Brüderlin. Rahbaran Hürzeler Architekten erhalten einen Grossteil der Substanz und stocken die Sporthalle auf. Mit der Aufstockung haben sie eine konstruktiv überzeugende sowie langfristig angelegte und nachhaltige Lösung gefunden – einfach: «Keeping what’s good». Die flexiblen und anpassbaren Räume können die zukünftige Schulraumplanung unterstützen und auf etwaige rückläufige Schülerzahlen reagieren.
Der Wettbewerb war vorbildlich vorbereitet: So bildeten die Machbarkeitsstudie und verschiedene Voruntersuchungen ideale Voraussetzungen für tragfähige Lösungsansätze. Das Raumprogramm liess viele Freiheiten und ermöglichte unterschiedliche Konzepte und vielfältige Gestaltungen.
Jurybericht, Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch
Rangierte Projekte
1. Rang, 1. Preis: «Keeping what’s good»
Rahbaran Hürzeler Architekten, Basel; Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur, Zürich
2. Rang, 2. Preis: «En plein air»
ARGE Valentin Lang Architekt / David Späh Architekt, Zürich; Eder Landschaftsarchitekten, Opfikon
3. Rang, 3. Preis: «Dans la carrière»
Stadler Zlokapa, Basel; Berchtold.Lenzin, Basel
Fachjury
Matthias Ackermann, Architekt, Basel (Vorsitz); Erika Fries, Architektin, Zürich; Christoph Gschwind, Architekt, Basel; Yvonne Rudolf, Architektin, Zürich; Lars Uellendahl, Landschaftsarchitekt, Basel; Patrick Scheffler, Leiter Fachbereich Hochbau, Riehen (Ersatz)
Sachjury
Silvia Schweizer, Gemeinderätin, Abteilung Bildung und Familie, Riehen; Manuela Wäspi, Schulleiterin Primarschule Niederholz, Riehen; Andreas Haberthür, Abteilung Bildung und Familie, Riehen; Andreas Hammon, Schulraumentwickler, Architektur & Entwicklungsräume, St. Gallen; Maria Nass, Leiterin Tagesstruktur (Ersatz)
Katharina Marchal schreibt als Kritikerin für die Fachpresse und betreut Architekturbüros in der PR- und Medienarbeit.