Klar Schiff in der «Süd-See Zug»

Areal ehemaliges ­Kantonsspital, Zug Architekturwettbewerb im Dialog

Auf dem Areal des alten Kantonsspitals soll ein neuer Quartierbaustein entstehen. Nach vielen Jahren der Zwischennutzung und politischem Hin und Her plant das Siegerteam um Christ & Gantenbein nun die Umnutzung des Bestands und baut Neues – hoffentlich «für üs alli».

Data di pubblicazione
10-10-2024

Im Jahr 2008 zog das Zuger Kantonsspital innerhalb eines Tages und ohne Betriebs­unterbruch von Zug nach Baar in einen Neubau um (TEC21 38/2008 «Effizientes Spital»). Damit wurde an der Artherstrasse ein Areal frei, das interessanter nicht sein könnte: eine Fläche von 22 000 m2 direkt am See und nur einen Katzensprung von der Zuger Altstadt entfernt. Bei solchen Voraussetzungen ist ein langwieriger, von politischen und Partikular­interessen geprägter Planungsprozess nicht weiter verwunderlich.

Der erste Bebauungsplan hatte beim Stadtzuger Stimmvolk schlechte Karten: Das Projekt «Belvedere», das aus einem Investorenwettbewerb von 2005 stammte, bekam keinen Zuspruch. Der Mix aus einer Altersresidenz, zwei Hochhäusern mit teuren Wohnungen und einem Luxushotel stiess bei den Zu­gerinnen und Zugern auf Unmut. Vielleicht war es aber auch der geplante Verkauf von öffentlichem Grund durch den Kanton Zug an Private für 38 Millionen Franken, der zum Schiffbruch des Projekts führte.

Jedenfalls diente das 1857 eröffnete, immer wieder umgebaute und erweiterte Bürgerspital seit dem Auszug des Kantonsspitals unterschiedlichsten Zwischennutzungen. Einquartiert sind bis heute kleinere Firmen und Vereine, aber auch Asylsuchende und Büros der kantonalen Verwaltung. Zwischenzeitlich verabschiedete der Kantonsrat einen Richtplan, um das Areal unter anderem als Standort für ein neues Kunsthaus zu nutzen. Dieses konnte aber aufgrund fehlender Investoren nie realisiert werden.

2014 zeigten Renzo Bader Architekten zusammen mit Landschaftsarchitektur Fontana in einer Studie auf, wie das Gebiet in Zukunft genutzt werden könnte. Die Erkenntnisse dienten neben einem städtebaulichen Studienauftrag von 2012 als Grundlage für den zweiten Bebauungsplan «Salesianum». Der Plan erlangte 2016 Rechtsgültigkeit, nach­dem das Verwaltungsgericht die hohe Ausnutzungsziffer von 1.0 auf 0.8 korrigieren liess.

Dieses war der erste Streich

Um die Umnutzung des Areals ins Rollen zu bringen, sah der Kanton Zug in Zusammenarbeit mit der Stadt Zug ein zweistufiges Wettbewerbsverfahren vor. Für eine bessere Ausgangslage beim späteren Urnengang setzte die Bauherrschaft neu auf einen ausgewogenen Nutzungsmix in Form von altersgerechten und preisgünstigen Wohnungen sowie auf eine öffentliche Nutzung im Baubereich B. Für die erste Stufe, den Ideen- und Investorenwettbewerb, der von 2020 bis 2022 andauerte, haben sich zehn Teams aus Investoren, Betreiberinnen und Spezialisten für die Präqualifikation beworben, sieben durften ihre Vorschläge präsentieren. Vier Teams konnten im Nachgang ihr Nutzungs- und Betriebskonzept vertiefen und ein Baurechtsangebot einreichen.

Gewonnen hat den Investorenwettbewerb das Team um die Investorin Credit Suisse Asset Ma­na­gement zusammen mit HRS Real Estate als Realisierungspartnerin, dem Basler Architekturbüro Christ &  Gantenbein sowie Vogt Landschafts­architekten mit ihrem Projekt «Süd-See Zug – für üs alli». Der Vorschlag verspricht der Bevölkerung einen durchgrünten «place to be». Das Nutzungskonzept war die Grundlage für das Dialogverfahren und gab damit die gewünschte Richtung vor.

Und der zweite folgt ­sogleich

In einem zweiten Schritt führte die HRS Real Estate im Auftrag der Credit Suisse Anlagestiftung ein einstufiges, nicht anonymes Konkurrenzverfahren auf Einladung durch, um das bestehende Konzept städtebaulich zu konkretisieren. Da der Kanton Zug als Grundeigentümer das Areal anstelle des geplanten Landverkaufs im Baurecht abgab, unterstand das Verfahren weder dem öffentlichen Beschaffungsrecht noch den eidgenössischen oder kantonalen Submissionsvorschriften.

Zum Wettbewerb wurden zwei Nachwuchsbüros eingeladen. Im Dialog sollten die acht teilnehmenden Teams nun für die privaten Baubereiche B, C1, C2, D1, D2 und E sowie die umgebenden Freiräume Lösungsvorschläge entwickeln. Von der bestehenden Spitalstruktur aus den 1970er- und 1980er-Jahren galt es so viel wie möglich zu erhalten. So auch das Baufeld D1, das ein denkmalgeschütztes Gebäude von 1937 beinhaltet. Vom Bearbeitungsperimeter ausgenommen war der Baubereich A, auf dem der Kanton Zug das ehemalige Personalhochhaus voraussichtlich bis Ende 2029 als Verwaltungsgebäude nutzt; danach soll es in einen Wohnbau umgewandelt werden.

In die engere Auswahl schafften es die beiden Teams um Armon Se­madeni Architekten / Krebs und Herde Landschaftsarchitekten sowie um Christ & Gantenbein / Vogt Land­schafts­­­archi­tekten. Aus der Bereinigungsstufe ging letzteres Team als Sieger hervor. Obwohl das Architektur- zusammen mit dem Landschaftsarchitekturbüro bereits am Ideen- und Investorenwettbewerb mit seinem Nutzungskonzept überzeugt hatte, überraschte es mit einer intelligenten Interpretation des Bebauungsplans, so die Würdigung des Jury­präsidenten Roger Boltshauser.

Ein Stadthof mit Seeanstoss

Kern des Siegerprojekts war die Gestaltung des «Stadthofs». Die präzise städtebauliche Setzung transformiert den in­trovertierten Hof in eine öffentliche Piazza, die sich zwischen den Gebäuden aufspannt und sich zum See hin orientiert. Und dies obwohl das Team selbst im Investorenwettbewerb den «Stadthof» ohne Öffnung zum Ufer in der Mitte des Areals platziert hatte.

Das Siegerteam schreibe die Geschichte des Orts selbstverständlich weiter, so die Jury. Die Loggiaschichten der Bauten prägten den Entwurf auf visueller Ebene, verliehen den Häusern eine markante, wenngleich auch feingliedrige Front und akzentuierten die städtebauliche Orientierung. Die genaue Ausformulierung werde allerdings im weiteren Projektverlauf mit der Denkmalpflege abgestimmt werden müssen. In der weiteren Bearbeitung solle das Siegerteam den Fokus zudem auf die Gesamtwirtschaftlichkeit legen. Dabei sind Volumen und Flächen erneut zu optimieren. Das Team soll ausserdem den bereits glaubhaften Re-Use-Anteil maximieren, der die bestehenden Strukturen, Bauten und Frei­räume konsequent miteinbezieht. Letztere weisen in den Augen der Jury ein grosses Ver­bes­serungs­potenzial in der Konzeption auf. So fehlen etwa ausgewiesene Aneignungsmomente, Erkennungsorte, Wasserelemente und Treffpunkte; Aspekte wie Retention, Versickerung und Schwammstadt seien ebenfalls zu vertiefen. Weiter solle aus wirtschaftlichen Gründen auf die Massivholzbauweise verzichtet und der Fensteranteil reduziert werden; Konstruktion und Materialwahl seien im weiteren Prozess zu vereinfachen.

Rückwärtiger ­Quartierfreiraum

Das zweitplatzierte Team um Armon Semadeni Architekten setzte den Bebauungsplan mit präzise gesetzten, kompakten Volumen um. Die orthogonalen Baukörper sowie die ausgewogenen Verhältnisse zwischen dem grossmassstäblichen Baubereich B und den kleineren Bauten überzeugten die Jury. Die Probleme tauchen vielmehr in der Ausformulierung der Freiräume auf: Die Seepromenade sowie der Stadthof bleiben zwar auch nach der Überarbeitung die zentralen Elemente des Projekts, jedoch mit neuer Gewichtung: Der Seepromenade kommt mehr Bedeutung zu und sie wirkt geradezu überdimensioniert. Gleichzeitig wird der Stadthof durch die rückwärtige Anordnung abgewertet und zum Quartierfreiraum degradiert.

Neben den öffentlichen Nutzungen sieht die Projektentwicklung auch Wohnraum vor. Wie teuer dieser wird, ist Stand heute noch unklar. Fest steht einzig, dass sich das Angebot neben Alterswohnungen je zur Hälfte aus preisgünstigen und marktüblichen Preisen zusammensetzen soll.

Bleibt zu hoffen, dass durch das vielversprechende Projekt «Süd-See Zug» nun auch wirklich ein Ort «für üs alli» entstehen wird. Denn hier, direkt am Zugersee, eröffnet sich eine Chance, wie es sie heute in dieser Dimension nur noch selten gibt: Die Chance auf einen neuen Stadtbaustein an zentraler Lage mit den Füssen im Wasser.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Überarbeitete Projekte

Siegerteam Christ & Gantenbein / Vogt Landschaftsarchitekten
Christ  & Gantenbein, Basel; Vogt Landschaftsarchi­tekten, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Conti Swiss, Zürich

Team Armon Semadeni Architekten / Krebs und Herde Landschaftsarchitekten
Armon Semadeni Architekten, Zürich; Krebs und Herde Landschaftsarchitekten, Winterthur; dsp Ingenieure + Planer, Uster; Meierhans + Partner, Schwerzenbach; F. Preisig, St. Gallen; Zostera Brandschutzplanung, Zürich

Fachjury

Roger Boltshauser, Architekt, Zürich (Vorsitz); Marianne Burkhalter, Architektin, Zürich; Bettina Neumann, Ar­chitektin, Zürich; Stefan Rotzler, Landschaftsarchitekt, Gockhausen; Barbara Holzer, Architektin, Zürich; Michael Schneider, Architekt, Zürich; Lea Rickenbacher, Architektin, Zug (Ersatz)

Sachjury

Florian Weber, Regierungsrat, Bau­direktor, Kanton Zug; Eliane Birchmeier, Stadträtin, Vorsteherin Baudepartement, Stadt Zug; Urs Kamber, Kantonsbaumeister, Kanton Zug; Julia Denfeld Hahn, Credit Suisse Asset Management; Murat Saydam, Credit Suisse Asset Management; Yves Diacon, HRS Real Estate; Gabriela Barman-Krämer, Stadtarchitektin, Stadt Zug; Markus Disteli, Credit Suisse Asset Management; Michael Breitenmoser, HRS Real Estate (Ersatz)

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