Gespräch mit der Politik
Um den Austausch mit Bundesparlamentariern zu pflegen, lud der SIA zum Dîner Baukultur auf den neuen Campus der FHNW in Muttenz ein. Bereits vor der Eröffnung hatten pool Architekten faszinierende Einblicke vermittelt.
Das Gespräch über Baukultur konzentriert sich häufig auf grössere Städte. Dass herausragende Werke auch in den Regionen entstehen können, zeigte das diesjährige Dîner Baukultur, das Nationalräte und Exponenten der Baukultur am 19. Juni in Muttenz zusammenführte.
Dem Neubau war ein mehrstufiger Planungsprozess mit Potenzialstudie, Testplanung und Wettbewerb vorangegangen. Den Wettbewerb entschieden pool Architekten klar für sich. Der Schnitt ihres Projekts für den neuen Campus der FHNW begeisterte nicht nur die Jury. «Das Leben, das versprochen worden ist, wird auch stattfinden», so Kantonsarchitekt Marco Frigerio zur Begrüssung.
Die Grundidee des Campus ist so einfach wie bestechend. Die Architekten schlugen einerseits ein starkes Gebäude vor, das einen vertikalen Akzent setzt, und andererseits einen grossen Park, der nicht Teil des Wettbewerbsprogramms war, wie Andreas Sonderegger und David Leuthold von pool Architekten erläuterten.
Weil der neue Campus in einer Reihe mit massigen Industriegebäuden steht, war nur so ein sichtbarer Ausbau der FHNW möglich. Ziel war einerseits, bisher 36 Standorte zu konzentrieren und andererseits die Studienplätze von gut 2000 im Dezember 2009 auf rund 3500 im September 2018 zu erhöhen, und das mit weiterem Ausbaupotenzial.
Übereinandergestapelte Gebäude
Als wesentliche Herausforderung sahen es pool Architekten an, das üppige Raumprogramm mit einer ansprechenden Massstäblichkeit zu verbinden. Deshalb stapelten sie gewissermassen zwei Gebäude übereinander. Die unteren drei Geschosse beherbergen Nutzungen wie Hörsäle, Aula, Mensa und Café. Sie verzaubern mit einem imposanten Atrium und langen Freitreppen.
Einen besonderen Akzent setzt eine Säule von Katja Schenker. Die Performancekünstlerin errichtete unter dem Titel «Nougat (Wie tief ist die Zeit?)» eine elf Meter hohe Stele aus verschiedenfarbigen Steinen, Metallen und Hölzern sowie Beton.
Magisches Blau
Ein Piano nobile krönt die ersten drei Geschosse mit einer Bibliothek und öffnet den Blick in die Ferne. Im Piano nobile erfolgt ein Wechsel von Flachdecken zu Rippendecken, wo die Haustechnik offen gezeigt wird. Damit die Konturen verwischen und die Haustechnik in den Hintergrund tritt, sind die Decken im Piano nobile im magischen Blau von Yves Klein gehalten. Zusammen mit der vielfarbigen Stele von Katja Schenker entsteht so ein intensives und zugleich dezentes Farbspiel.
Über dem Piano nobile erheben sich neun Geschosse für die einzelnen Fachbereiche der FHNW, beginnend mit den Life Sciences, deren drei Geschosse über eine elegante interne Wendeltreppe miteinander verbunden sind, um den Austausch untereinander zu fördern. Über dem Piano nobile teilt sich das Atrium in zwei Lichthöfe, die zusammen mit dem Atrium eine Höhe von 60 m erreichen. Eine Lounge und ein Dachgarten im 12. Geschoss schliessen den Campus nach oben ab.
Plädoyer für Wettbewerb
Kantonsarchitekt Frigerio betonte, dass ein so gutes Projekt nur dank eines Wettbewerbs möglich war. Das Wettbewerbswesen wie die Baukultur insgesamt stehe in Basel-Landschaft jedoch unter Druck. Es gebe viele Missverständnisse wie das Vorurteil, dass Baukultur mehr koste.
SIA-Präsident Stefan Cadosch verbreitete Zuversicht. An einer öffentlichen Veranstaltung habe Pierre Broye, Direktor des Bundesamtes für Bauten und Logistik, kürzlich einen Kulturwandel vom günstigsten hin zum vorteilhaftesten Angebot in seinem Verantwortungsbereich in Aussicht gestellt. Auch die vom Nationalrat am 13. Juni beschlossene Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen sei ein grosser Erfolg, weil demnach ebenfalls vorgesehen sei, dass das vorteilhafteste Angebot künftig den Zuschlag erhalten solle. Cadoschs Fazit: «Für die weitere Stärkung der Baukultur hoffe ich auf die Politik.»