Schweizer Botschaft, London: Maschine ohne Schwachstellen
Der Wettbewerb für die Restrukturierung der Schweizer Botschaft in London ist entschieden. Mit dem Entschluss, für ein solch prestigeträchtiges Gebäude einen offenen Wettbewerb durchzuführen, bewies die Bauherrschaft Mut. Und wurde belohnt: Die beiden Finalisten übersetzen die Komplexität der zeitgenössischen diplomatischen Mission überzeugend in Architektur.
Glaubt man den Figuren aus den Romanen von Romain Gary, dem französischen Schriftsteller, der Mitte des 20. Jahrhunderts 17 Jahre lang als Diplomat tätig war, so kompensiert die Effizienz internationaler Organisationen deren Unfähigkeit, die Probleme zu lösen, für die sie geschaffen wurden.1 Und auch wenn die Metapher der «Maschine» manchmal falsch auf Architektur angewandt wird, gibt es einen Bereich, in dem der Begriff angemessen ist: die diplomatische Verwaltung.
Die Schweizer Botschaft, die sich seit fast 100 Jahren im Herzen Londons befindet, besteht aus zwei Flügeln: dem denkmalgeschützten georgianischen und dem modernistischen Flügel in Skelettbauweise aus den 1970er-Jahren, entworfen vom Schweizer Architekten Jacques Schader. Die Herausforderungen des vom Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) ausgeschriebenen offenen Wettbewerbs lag darin, den Bestand aufzuwerten und das komplexe, ineinandergreifende Raumprogramm, das die gut geölte Mechanik der internationalen Beziehungen abbildet, darin unterzubringen: Empfangsräume, Verwaltung und Unterkünfte für die Beamtinnen und Beamten.
Bei der Lösung dieser Aufgabe zeigte sich die Könnerschaft des Teams rund um Studio DIA aus Bern. Ihr Projekt Wellington setzt auf Nachhaltigkeit, indem es die bestehenden Fassaden und die Tragstruktur erhält. Gleichzeitig bringt es räumliche und tektonische Elemente ein, die an die Moderne erinnern, wie doppelstöckige Foyers, einen Innenhof, nach Süden ausgerichtete Wintergärten für die Wohnungen oder eine grosse Terrasse im fünften Stock, so Jurypräsident Jodok Brunner.
Es wird oft gesagt, dass das zweitplatzierte Projekt eines Wettbewerbs der interessanteste Entwurf ist: Abendkleid des Teams um Conen Sigl Architekten aus Zürich ist da keine Ausnahme. Reich an Referenzen und präzise in den Details leidet das in sich schlüssige Projekt aber an einer gewissen planimetrischen Starrheit, die die Möglichkeiten für eine allfällige spätere Umgestaltung einschränkt.
Der Geniestreich von Abendkleid ist der Pub auf dem Dach der Botschaft. Die Geste ist politisch: Sie soll der Privatisierung des öffentlichen Raums in London entgegenwirken und gleichzeitig die Runde für einen grösseren Kreis als jenen der Diplomatinnen und Diplomaten öffnen. Die Jury zweifelte allerdings an der Machbarkeit eines vollständig öffentlichen Dachraums, erkannte aber das Potenzial eines unabhängig vom Rest der Botschaft nutzbaren Veranstaltungsorts.
Und auch wenn der Vorschlag nicht überzeugen konnte, wirft er doch eine relevante Frage auf: Ist es im gegenwärtigen Klima des Zerfalls und des Kriegs nicht an der Zeit, über das Modell unserer diplomatischen Institutionen nachzudenken?
Anmerkung
1 Romain Gary, L’Homme à la colombe, 1958
-> Weitere Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch.
Projektwettbewerb Restrukturierung Schweizer Botschaft, London
Einstufiger Projektwettbewerb im offenen Verfahren
Auftraggeberin
Bundesamt für Bauten und Logistik BBL
Auszeichnungen
1. Rang: «Wellington»
Studio DIA, Bern; Walt Galmarini, Zürich; Kalt + Halbeisen Ingenieurbüro, Brugg; Enerpeak, Dübendorf; Lemonconsult, Zürich; Alan Baxter, London
2. Rang: «Abendkleid»
Conen Sigl Architekten, Zürich; SEFORB Ingenieurbüro für Hochbauten, Uster; Waldhauser + Hermann Ingenieurbüro, Münchenstein; IBG Engineeringe, Winterthur; Probst + Wieland, Burgdorf
3. Rang: «Winston Tell»
Lovis Architekten, Zürich; MWV Ingenieure, Baden; WSP Suisse, Schliern; Thomas Lüem Partner, Lenzburg
4. Rang: «CH-76732»
William Matthews Associates, London; Expedition Engineering, London; Atelier 50, London
5. Rang: «Botanische Botschaft»
DFDC, Paradiso; WMM Ingenieure, Münchenstein; BAC Engineering Consultancy Group, Barcelona Thierry Dalcant Paysagiste, Paris
6. Rang: «Cour d'honneur»
GP + Architekt LVPH architects, Fribourg; Ingeni, Fribourg; Conti & Associés Ingénieurs, Versoix
7. Rang: «Old Bones, New heart»
GP ARGE OMMX & TEN, London; TEN, Zürich; Price & Myres, London; Max Fordham, London: Alan Baxter, London
8. Rang: «Leopard»
GP Pinzauer / Studio Hammer; Architekt Studio Hammer, Basel; Ove Arup & Partners International , London; Consulting Turley Associates Ltd, London
9. Rang: «Renaissance»
GP + Architekt Tony Fretton Architects, London; Arup, London
10. Rang: «Impluvium»
GP + Architekt Schulz und Schulz Architekten, Leipzig; Beckh Vorhammer, München; Transsolar Energietechnik, Stuttgart; Pola Landschaftsarchitekten, Berlin
Fachjury
Jodok Brunner, Leiter Bauten Ausland BBL, Vorsitz;
Jonathan Sergison, Sergison Bates Architects, London/Zürich;
An Fonteyne, noAarchitecten, Brüssel;
Thomas Padmanabhan, Lütjens Padmanabhan Architekten, Zürich (Ersatz)
Sachjury
Tania Cavassini, Direktorin EDA-DR;
Sophie Romanens, Chefin Immobilien EDA (Ersatz);
Elke Maier, Portfoliomanagerin BBL;
Rahel Hänggi, Programm- und Projektentwicklerin BBL (Ersatz)
Beratende Experten (ohne Stimmrecht)
Markus Leitner, Missionschef Schweizer Botschaft, London;
Bernhard Baumgartner, Immobilien EDA;
Chris Lloyd, Planning Consultant, AZ Urban Studio, London;
Bruno Wegmüller, Bauökonom, E’xact, Bern;
Siegfried Burkhalter, Fachberater Bauherr Elektro, BBL;
Felix Gamper, Fachberater Bauingenieurwesen, Leiter Fachberatung BBL;
Niklas Strahm, Fachberater Bauherr Lüftung, Klima und Kälte, BBL