Be­stand­se­rhalt ver­sus ener­ge­ti­scher Lu­xus

Umbau kreisdruck, Basel

Luca Selva Architekten haben in Basel eine ehemalige Druckerei zu neun Wohnungen umgebaut. Die Bemühung, den Charakter des Gebäudes auf die neue Nutzung zu übertragen, führt zu spannenden Räumen, wirft aber auch Fragen auf.

Data di pubblicazione
04-12-2024

Es nieselt leicht an diesem kühlen Freitag Mitte Juni. Die funktional-technische Glas-Metallfassade der ehemaligen Kreis Druck AG wirkt so, als käme gleich eine Palette frischer Zeitungen heraus. Aber die Farbe ist längst getrocknet, denn die Druckerei schloss 2017 wegen Umstrukturierung ihre Türen und mit ihr verstummte das Rattern der Druckmaschinen in der Basler Holbeinstrasse. Zurück blieb das auf schwere Maschinen ausgelegte und daher etwas überdimensionierte Druckereigebäude, das eine neue Nutzung suchte.

Das neue Haus ins alte einfädeln

Luca Selva stellt gleich zu Beginn klar: «Die entwerferische Leitlinie war, die Qualitäten des Bestands und die Würde des Gebäudes zu erhalten, um damit den industriellen Charakter des Gebäudes weiterleben zu lassen.» Und das hält er konsequent ein. So wurde die Strassenfassade instand gesetzt und dabei so originalgetreu wie möglich belassen. 

Auf den ersten Blick scheint sich tatsächlich nichts verändert zu haben. Auf den zweiten Blick schimmert eine neue, gedämmte Schicht hinter der alten Fassade durch. Im Zwischenraum entstanden Loggien, die bei jedem Wetter einen gedeckten Aussenraum bieten. 

Das Gebäude ist an der Strasse 15 m breit und überdeckt mit 63 m Länge fast die ganze Parzelle. Es besteht aus einem dreigeschossigen Teil mit Attika an der Strasse (Strassentrakt), einem zweigeschossigen Mitteltrakt sowie dem Shedbereich, in dem früher die Druckmaschinen standen. Die Ölheizung ist durch Fernwärme ersetzt und das ehemalige Lager im Untergeschoss zur Einstellhalle umgebaut worden.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft Immobilien und Energie «Metamorphose: Aus Büros werden Wohnungen». Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem digitalen Dossier. 

Mit viel Augenmass haben sich Luca Selva Architekten in den Bestand hinein-gedacht. Im Erdgeschoss des Strassentrakts wurden die Abhangdecken entfernt und die Originaldecke mit bestehenden Unterzügen freigelegt; in den oberen Geschossen gab es Pilzkopfstützen, die sichtbar bleiben sollten. Dies gelang, indem das Team den Boden aller Wohnungen im Strassentrakt um eine Treppenstufe anhob. Auf diese Weise konnten alle Installationen unter dem neu verlegten, sägerohen Eichenboden verschwinden und die Decken frei bleiben. Durch das Einhalten des Treppenmasses musste im Treppenhaus nicht viel verändert werden. Eine kleine Rampe sorgt für Hindernisfreiheit und überwindet den Höhenunterschied zwischen Strasse und Foyer. 

Die Projektleiterin Veronique Caviezel betont, es sei ihnen wichtig gewesen, die Seele des Hauses zu bewahren. Dies zeigt sich im Grossen wie im Kleinen. Der originale Terrazzoboden des Foyers wurde bewusst erhalten und die Rampe ist mit den Steinplatten aus dem Rückbau des Eingangsbereichs der Druckerei belegt. Überall dort, wo weitere Flächen hinzukamen, wurden die Platten nachproduziert. Neben Foyer und Treppenhaus mit Lift beherbergt der Mitteltrakt eine 5-Zimmer-Wohnung, die jedoch zwischen Brandmauern und den anderen Gebäudeteilen liegt und daher zwar Oberlichter besitzt, aber kein Fenster mit direktem Aussenbezug auf Augenhöhe. 

Ein Glücksfall für die Architekten waren die Rippendecken im Mitteltrakt, die noch eingeschalt waren und daher in einwandfreiem Zustand sichtbar belassen werden konnten.

Wie viel Raum ist angemessen?

Der dritte Gebäudeteil, die ehemalige Produktionshalle, ist geprägt von grosser Helligkeit und der immensen Raumhöhe von 6.8 m, die an einigen Stellen durch die vier Sheddächer entsteht. Zwei 7 m breite 3.5-Zimmer-Wohnungen erstrecken sich hier auf einer Länge von 39 m. Ein neuer Patio in der Wohnung und ein Zugang zum Minigarten vor der Brandmauer dienen als Aussenräume, allerdings ohne Fernsicht.

Die Wohnfläche ist gross und von den Brandmauern gefasst, die nur Fenster nach oben zulassen. Es war weder für die Bauherrschaft noch für die Architekten eine Option, die Sheds zurückzubauen, um Aussenraum zu gewinnen. Zum einen wollten die Architekten das räumliche Potenzial des Bestands mit der Besonderheit der Sheddächer in die neue Nutzung überführen. Zum anderen hätte ein teilweiser Rückbau eine höhere Freiflächenziffer und weniger Brutto-geschossfläche erfordert.

Im Shedbereich sind nun riesige Wohnungen für verhältnismässig wenige Personen entstanden, deren immenses Volumen über Jahre geheizt werden muss. Die dazu benötigte Energie wird die durch den Erhalt eingesparte graue Energie vermutlich um ein Vielfaches übersteigen. 

Bei einem Rückbau der Sheds, die eine Fläche von 585 m2 überdecken, hätte eine begrünte Fläche geschaffen werden können, die für Aussenraum, Biodiversität und Kühlung gesorgt hätte. Nun sind an dieser Stelle für insgesamt sechs Personen zwei Wohnungen mit einer Energiebezugsfläche entstanden, die für ca. 20 Personen angemessen wäre. Ausserdem stellt sich die Frage, warum die nach Südosten ausgerichteten Sheds und auch die anderen Dächer nicht mit Photovoltaik belegt wurden. Gemäss Angaben der Architekten entschied sich die Bauherrschaft aufgrund der Eigenverschattung durch den strassenseitigen Baukörper, der schon ausgenutzten Statik und mangelnder Wirtschaftlichkeit dagegen.

Die Entscheidung, die Sheds zu grossen Wohnungen umzubauen, ist aus energetischer und sozialer Sicht kritisch. Auch das Argument, die räumliche Schönheit der Sheds zu bewahren, hält nicht stand, da diese nur wenigen Personen zugutekommt. 

Im Strassen- und Mitteltrakt haben sich die Architekten auf eine detektivische Spurensuche begeben und das Gebäude für die neue Nutzung mit Liebe zum Detail und viel handwerklichem Geschick transformiert. Aber der Wermutstropfen des Projekts ist der hohe Energie- und Ressourcenverbrauch, der im Shedbereich über Jahre entstehen wird.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft Immobilien und Energie «Metamorphose: Aus Büros werden Wohnungen». Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem digitalen Dossier. 

Umbau kreisdruck, Basel


Bauherrschaft
Kreis Immobilien, Basel


Architektur
Luca Selva Architekten, Basel


Tragkonstruktion: 
Ehrsam Beurret Partner, Basel


HLKS-Planung: 
Böni Gebäudetechnik, Oberentfelden


Bauphysik: brücker+ernst, Luzern


Transformation: 2018–2020 

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