Ba­sler Drei­ge­stirn

Mit dem 2020 fertiggestellten «Baloise Park» verleiht die Basler Versicherung dem eigenen Unternehmen ein neues Gesicht – getreu ihrer Tradition als Pionierin stadtbildprägender Bürobauten.

Data di pubblicazione
30-09-2022

Bei diesem Projekt hat die Bauherrin sich selbst hohe baukulturelle Massstäbe gesetzt. Bereits 1930 erhitzte das Turmhaus der Baloise am Aeschenplatz als erstes Betonhochhaus in Basel die Gemüter. Knapp ein Jahrhundert später werden Debatten um die Stadtgestalt ebenso intensiv geführt wie damals.

Von der Ambition ausgehend, dass baukulturelle Qualität anhand der Davoser Kriterien objektiv messbar ist, ergibt sich für die Gebäudegruppe der Baloise ein mehrschichtiges Bild. Das dicht bebaute Ensemble besteht aus einem Hotelturm, dem eigentlichen Firmensitz und dem Ausbildungszentrum der Versicherung. In seiner städtebaulichen Anordnung wird es durch einen öffentlichen Platz komplettiert. Das Areal befindet sich an einem zentralen Knotenpunkt Basels und nimmt damit eine bedeutende Position in der allgemeinen Wahrnehmung ein. Die erhöhte Dichte entspricht dieser Bedeutung, hat jedoch einen starken Massstabssprung zur östlich angrenzenden Wohnbebauung zur Folge.

Kriterien in Konkurrenz

Ein intensiv gesteigerter Genius Loci, also ein Davoser Qualitätskriterium, steht damit in Konkurrenz zu einem anderen: der Berücksichtigung des räumlichen Kontexts. Die Mischnutzung des Areals trägt potenziell zu sozialer Interaktion bei. Doch aufgrund der mehrheitlich verschlossenen Erdgeschosse hält sich die öffentliche Nutzung in Grenzen. Eine im Wettbewerbsprogramm explizit geforderte Beziehung zwischen innen und aussen mit publikumsorientierten Nutzungen zur Belebung und Sicherheit des Platzes hätte intensiver ausfallen können.

Das sehr homogen gestaltete Hotelhochhaus der Architekten Miller & Maranta rahmt den Grünraum der Elisabethenanlage westlich davon und bildet gemeinsam damit ein Eingangstor zum Aeschengraben. Am Bahnhof Basel SBB ankommende Reisende werden vom verkehrsreichen Centralbahnplatz aus über den neuen Platz und durch die Arkaden des Hotels Richtung Innenstadt geleitet. Damit gelingt den Architekten eine grossstädtische Geste, die verglichen mit der vorherigen, halböffentlichen Eingangssituation des Hilton-Hotels klärend wirkt. Auch dank seiner Materialität steht der neu gestaltete Firmenort im Dialog mit der städtischen Umgebung. Doch stellt sich im Schatten der neuen Bauten aus Stein, Stahl und Glas nicht unmittelbar das Gefühl einer aneignungsfähigen Stadt ein. Wirkungsvoll ist besonders der neue Firmensitz von Diener & Diener mit seiner kolossalen Gliederung, den Architekten zufolge inspiriert von der venezianischen Ca’ Pesaro.

Wenig öffentlich

Im Innern des Geschäftssitzes eröffnet sich eine moderne Arbeitswelt mit einer breiten Palette an Arbeitssituationen: stille Rückzugsorte, lebendigere Sitzungszonen oder aktive Begegnungsräume mit Verpflegungsmöglichkeit. Die Raumgestalt hat Qualität, doch vermisst man etwas individuellen Charme. Die geschossweise der Vertikalerschliessung angegliederten Ausstellungsflächen der «Kunst-Etagère» bleiben den Mitarbeitenden vorbehalten. Lediglich im ebenerdigen «Kunstforum» kann auch die Öffentlichkeit nach Anmeldung einige Exponate betrachten.

In ihrer derzeitigen Zweckerfüllung auf 15 000 m2 Büro- und Verkaufsfläche besteht kein Zweifel an der hohen Funktionalität der Bauten. Dass sich das Gebäude von wenigen Mitarbeitenden besetzt zeigt, mag am neu eingeführten Arbeitszeitmodell liegen. In Hinsicht auf langfristige Ressourcennutzung – auch das ist Teil des Davos-Kriteriums «wirtschaftlicher Mehrwert» – bliebe gleichwohl zu fragen, ob nicht spätestens seit der Pandemie über Mehrfachnutzungen nachgedacht werden müsste.

Sakrale Wirkung

Das letzte der acht Kriterien fragt nach der Schönheit und stimmungsvollen Wirkung eines Orts. Hierauf gibt das Gebäude Ost von Valerio Olgiati eine sehr individuelle Antwort. Hier steht das Raumerlebnis als physische Erfahrung des Menschen im Mittelpunkt. Das Gebäude wirkt geradezu wie ein eigenständiges Wesen. Zunächst unscheinbarer als seine beiden Geschwister, weist der Bau eine eindrückliche, fast sakrale Wirkung auf. Diese richtet sich jedoch anders als bei den stark auf Repräsentation ausgelegten Volumen des Hotels und des Firmensitzes nach innen. Für seine Nutzung als Ausbildungszentrum ist das Innere ungewöhnlich dunkel. In der Konzentration auf die Erfahrbarkeit von Raum ist das Gebäude jedoch, über seine derzeitige Funktion hinaus, schön und damit beständig. Es bezieht sich in sehr eigener Weise auf sich selbst und den Menschen, den es aufnimmt.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Erfolgsfaktor Baukultur | La culture du bâti – un facteur de réussite | Cultura della costruzione: un fattore di successo».

Baloise Park, Basel

 

Bauherrschaft
Basler Leben, Basel

 

Architektur
Miller & Maranta, Basel (Wettbewerb und Haus West), Diener & Diener, Basel (Haus Süd), Valerio Olgiati, Flims (Haus Ost)

 

Landschaftsplanung
August & Margrith Künzel, Binningen

 

Innenarchitektur Baloise Park West
Matteo Thun & Partners, Mailand

 

Totalunternehmer
Steiner (West), Porr Suisse (Süd und Ost)

 

Skulptur «Drittes Tier» auf dem Baloise Platz
Thomas Schütte

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