Das Echo auf den zweiten Blick
In Leysin (VD) haben meier + associés architectes ein Gebäude für ein Bildungs- und Ferienzentrum gebaut. Mit einem kleinen Trick an der Fassade lenken sie den Blick der Gäste vorteilhaft auf die eindrückliche Aussicht der Dents du Midi.
Wenn man in Leysin-Feydey von der Endstation der Zahnradbahn die Strasse hochgeht und um die erste Kurve kommt, sieht man unmittelbar zum pädagogischen Zentrum «Les Cabris» hinauf. Als Erstes fällt die dunkle Holzfassade mit ihren gezackten Volumenvorsprüngen auf, die vertikal die Gebäudefront etappieren. Später, im Innern des Baus erinnert man sich daran: In den Gemeinschaftsräumen mit ihren raumhohen Fenstern steht man vor dem unvergleichlichen Panorama der Alpen mit den Dents du Midi und ihren sieben Zacken. In diesem optischen Echo der Fassade auf die Berge liegt ein feiner Witz. Die Architekten richteten die grossen Fenster mit den Zacken in einem spitzen Winkel zur Gebäudeflucht an. So nehmen die Gäste automatisch die richtige Position frontal zum Naturspektakel ein.
Schlafen im Norden, essen im Süden
Das Dorf Leysin liegt auf 1253 m ü. M. nordöstlich des Bezirkshauptorts Aigle. Es entwickelte sich ab 1900 zum Kurort, zahlreiche der Sanatorien waren auf Kinder spezialisiert. Während der Hochkonjunktur standen etwa 80 Bauten am steilen Hang. Nach der Entdeckung von Antibiotika zur Behandlung der Lungenkrankheiten erlitt der Ort nach dem Zweiten Weltkrieg einen wirtschaftlichen Einbruch. In der Folge siedelten sich Schulen in einigen der grossen Hotel- und Kurbauten an, so das American College of Switzerland und die Leysin American School.
Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Hotel- und Freizeitbauten in Holz». Weitere Artikel zum Thema Holz finden Sie in unserem digitalen Dossier.
Das pädagogische Zentrum Alpin von meier + associés architectes zieht sich mit langen, verglasten Gemeinschaftsräumen auf drei Stockwerken über die Länge des Grundstücks. Wie bei den historischen Bauten mit ihren talwärts gerichteten Veranden vor den Zimmern ermöglicht die Ausrichtung der Hauptfassade Richtung Süden eine optimale Sonnen- und Sichtorientierung. Im Fall des Zentrums sind aber nicht die Zimmer, sondern die Gemeinschaftsräume gegen Süden gerichtet. Die durch die Fassadenstaffelung leicht zonierten Räume im Erdgeschoss und in den beiden Obergeschossen bieten Nutzungsmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler, die hier im Skilager sind oder für die Lehrkräfte, die für eine Weiterbildung kommen. Auf der Rückseite, in den Obergeschossen gegen den Waldrand hin, staffeln sich 25 lange, schmale Zimmer mit insgesamt 100 Betten, auf der Ostseite befinden sich zehn weitere Einzelzimmer. Die meisten Zimmer verfügen jeweils über ein Holzmöbel mit Ablageflächen und in die Längsseite integrierte Kajüten-Betten.
Licht auf der Fassade
Die repetitive Gebäudestruktur, innen aus weiss lasiertem lokalen Fichtenholz, gliedert die Räume durch vorgefertigte Pfosten und Balken. Das Materialkonzept verbindet im Eingangsgeschoss das helle Holz mit den im Terrazzoboden des Restaurants eingegossenen Rhone-Kieseln und den Betonwänden. Sockel, Treppenhaus und Untergeschoss sind aufgrund möglicher Naturgefahren ebenfalls aus Beton. Ein schachtartiger Raum, der vom Erdgeschoss zum Dach führt und zweiseitig verglast ist, dient als Boulderlandschaft.
Gemäss den Architekten waren die schwarzen Bilder des französischen Künstlers Pierre Soulages eine Referenz für die Fassade. Seine Experimente drehten sich nicht um Farbe, sondern um das Verhalten des Lichts auf ihr. Tatsächlich erzeugt das dunkle Holz der vertikal montierten Stülpschalung je nach Lichteinfall ein Spiel aus Textur und Reflexion. Die Fassade passt auch zum alten Chalet am Waldrand, dessen Holz die Sonne geschwärzt hat. Nach ihm ist der Weg «Chemin du Chalet Noir» benannt, der hinter das Ferienlager führt.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Alain Moser, Moser Schule, Genf
Architektur
meier + associés architectes, Genf
Bauleitung
CW Architectes, Sion
Statik
structurame, Genf
Gebäudetechnik
SB Technique, Genf
Elektroingenieur
Guerin Guinnard, Vionnaz
Akustik
d’Silence Acoustique, Lausanne
Geotechnik
Gadz, Genf
Gebäude
Nutzfläche (SIA 416)
1660 m2
Volumen
5686 m3
Label
Zertifikat Schweizer Holz
Preis
2. Prix de l’Immobilier Romand, 2022
Holz und Konstruktion
Fassade
856 m2 Weisstanne (Schweiz)
Tragwerk
Brettschichtholz GL24H Fichte (Jura), 1350 m2
Daten und Kosten
Eingeladener Wettbewerb
2018
Realisierung
2020–2021
Aufrichten Holzstruktur
4 Wochen
Kosten Holz (BKP 214)
620 000 CHF