Nachhaltige Stadtentwicklung: Das Lauffenmühle-Areal in Lörrach
Im Südwesten Deutschlands, den Schwarzwald im Rücken, liegt die Stadt Lörrach. Auf dem 8.5 Hektar grossen Werkgelände des ehemaligen Textilunternehmens Lauffenmühle soll das deutschlandweit erste klimaneutrale Gewerbegebiet in Holzbauweise entstehen.
Im Jahr 2019 stellte der Textilbetrieb Lauffenmühle seine Produktion in Lörrach-Brombach ein. Nach der Insolvenz erwarb die Stadt das rund 8.5 Hektar grosse Areal mit dem Ziel, die gewerbliche Nutzung weiterzuentwickeln. «In Lörrach sind wir grundsätzlich daran interessiert, freiwerdende Areale in innerstädtischer Lage als Teil der strategischen und aktiven Bodenpolitik zu sichern und so einen vorausschauenden und selbstbewussten Städtebau voranzutreiben», sagt Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdić.
Qualitäten weiterentwickeln
Beim Gang über das Gelände der Lauffenmühle fallen sofort die historischen Fabrikgebäude mit ihren schönen Natursteinfassaden auf: 100 Jahre alte Handwerkskunst, die sich heute keiner mehr leisten kann. «Unter Denkmalschutz stehen die Gebäude und ihre Fassaden nicht. Doch wir möchten diese ortsbildprägenden Elemente instand setzen und in ihrer Grundstruktur möglichst erhalten», sagt Alexander Nöltner, Fachbereichsleiter Stadtplanung bei der Stadt Lörrach und Projektleiter «Lauffenmühle – next innovation».
Teilweise werden Anpassungen oder Teilabbrüche nötig werden, um die Arbeitsstättenrichtlinie einzuhalten oder die Tragwerke zu ertüchtigen. Nöltner ist überzeugt: «Werden die Tragwerke der Neu- und Bestandsbauten von Beginn an statisch durchdacht, werden mittelfristig Aufstockungen möglich sein.» Denn man sei in Lörrach überzeugt, die Expansion und den Flächenausbau vorzugsweise vertikal umzusetzen.
Mobilität und Schwammstadt
Mobilitätstechnisch liegt das künftige Gewerbegebiet hervorragend: Einerseits ist es an die S-Bahn Basel–Zell angeschlossen. Was dazu führt, dass Mitarbeitende künftiger Betriebe den Arbeitsweg klimaneutral bestreiten könnten. Im Gegensatz zu einem Gewerbegebiet, dass auf der grünen Wiese entwickelt wird, sind das Pluspunkte für die Bilanzierung auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Andererseits liegt es direkt an der Bundesstrasse B317 mit Anschluss an die Autobahn A98 und somit günstig für die Zulieferung. Hinsichtlich Individualverkehr gibt es dennoch einiges zu tun.
Das Areal soll – im Sinne einer Stadtreparatur – Komponenten kompensieren, die im nahen Umfeld im Argen liegen. Bisher konnte man beispielsweise das Betriebsgelände der Lauffenmühle nicht durchqueren.
Neben der Mobilität ist der Umgang mit Wasser und Abwasser ein zentrales Thema. Das Lauffenmühle-Areal liegt an einer tiefen Stelle im Stadtteil Lörrach-Brombach. Das Projektteam möchte diese Situation städtebaulich aufgreifen und das Prinzip der Schwammstadt konsequent verfolgen. Das reicht von der Ausweisung von Grünflächen, nicht versiegelten Bereichen und Retentionsflächen für Starkregenereignisse bis zur Vorgabe, dass die Grauwassernutzung sowie Zisternen und Gründächer zur Regenrückhaltung in der Planung zu berücksichtigen sind. Mit diesen Massnahmen möchte man Überflutungen vermeiden, das Stadtklima verbessern und die Gesundheit von Stadtbäumen fördern.
Pionierhaft: Gewerbebauten aus Holz
Sonne und Holz, von beidem gibt es im Südwesten Deutschlands genug. Insbesondere über Holz verfügt Lörrach in grossen Mengen. Die Stadt nennt 1600 Hektar Mischwald ihr Eigen, was etwa 40% der Gemarkungsfläche ausmacht. «Ideal wäre es für uns, wenn das in unseren Wäldern anfallende Holz einen direkten Absatzmarkt vor Ort hätte. In der Verarbeitung zeichnen sich jedoch Engpässe ab. Weshalb wir auf dem Gelände der Lauffenmühle einen etappierten Bauablauf vorsehen», sagt Neuhöfer-Avdic.
Für Unternehmungen, die auf dem Areal bauen möchten, erarbeitet das Projektteam derzeit zusammen mit dem Land Baden-Württemberg Baurichtlinien und lässt prüfen, wie der Holzbau rechtssicher umgesetzt werden kann. Neuhöfer-Avdić ist überzeugt: «Der geplante, konsequente Einsatz von Holz bei Gewerbebauten ist bisher einmalig in Deutschland.»
Die Kombination von Holz und Sonnenenergie soll das neue klimaneutrale Gewerbegebiet prägen. Die Stadt Lörrach strebt an, bis 2030 einen attraktiven Arbeitsort zu schaffen. Um einen zukunftsorientierten städtebaulichen und freiräumlichen Entwurfsansatz für die Transformation des Lauffenmühle-Areals in ein nachhaltiges Stadtquartier für überwiegend gewerbliche Nutzungen zu finden, schrieb die Stadt einen nichtoffenen Realisierungswettbewerb aus, mit vorgelagertem Teilnahmewettbewerb und anschliessendem Verhandlungsverfahren.
Holzbau definiert das Raster
Der Entwurf «Die Mühlen von Übermorgen» von ASTOC architects and planners, Köln zusammen mit Henning Larsen, Überlingen (Freiraumplanung), und Merz Kley Partner, Dornbirn (Beratung Holzbau), setzte sich im Frühjahr 2024 gegen die anderen Teams durch und wird derzeit weiterentwickelt.
Zentral ist eine klare Verkehrsanbindung: Durch eine ringförmige Erschliessung um den Bereich, in dem die alten Gebäude stehen und standen, ist dieses Gebiet optimal zugänglich. Innerhalb des Rings sind zwei Bereiche vorgesehen, die eine Zufahrtsstrasse trennt.
«Der markante und städtebaulich klug entwickelte Baublock mit den kleinen Volumina im Hof, die einer Kasbah ähneln, kann als Nährboden räumlich führend werden. Ein Einstiegsort für Unternehmen, die weiter zu einem grösseren Standort im grösseren angrenzenden Gebiet wachsen. Dies ist eine wesentliche wirtschaftliche Stärke dieses Designs», heisst es im Jurybericht. Es stehe somit eine grosse Auswahl an Geschäftsflächen unterschiedlicher Grösse zur Verfügung.
Über die Fläche wird ein Rastermass gelegt, das sich am Konstruktionsprinzip des Holzbaus orientiert. Dies wird in klar definierten Gebäudetypologien herausgearbeitet. Ausserhalb des Verkehrsrings werden die bestehenden Objekte und die neu zu errichtenden Gebäude in eine grüne Umgebung gestellt. Die Grünstruktur schliesst an eine Grünzone an, die von Süden nach Norden entlang des Verkehrsrings verläuft.
Die Idee mittragen
Nun wäre der Ansatz der Klimaneutralität im Gewerbegebiet jedoch nicht vollständig, wenn das nicht auch für die innere Haltung gelten würde. Gesucht werden deshalb Unternehmen, die eine dem Areal entsprechende Unternehmensphilosophie haben und die Lauffenmühle mitgestalten möchten.
Das Projektteam ist überzeugt, dass es genügend Unternehmen – etwa aus den Bereichen Produktion, Forschung, Dienstleistung und innovativem Handwerk – gibt, die auf diesem Gewerbegebiet der Zukunft arbeiten möchten. «Eine Potenzialanalyse habe dieses Profil geschärft,» sagt Burkhard Jorg, Projektleiter «Lauffenmühle-next innovation» im Fachbereich Stadtplanung. «Das Lauffenmühle-Areal wird kein Standardgewerbegebiet, sondern durch die Verbindung zwischen Tradition und Innovation und die logische, fast spielerische Verknüpfung von Form und Inhalt einzigartig sein.»
Hintergrund
Ende des 19. Jahrhunderts zogen viele textilverarbeitende Betriebe ins Wiesental, das zu jener Zeit neben Mannheim das
wichtigste Industriezentrum in Baden und der wichtigste Standort in Südbaden war. Die guten wirtschaftlichen Voraussetzungen, der Gleisanschluss und die eigenen Brunnen mit Wasser aus dem Fluss Wiese waren damals ausschlaggebend für die Standortwahl.
Dr. phil. Adolf Feer (1862 -1913) gründete 1899 die «Druckerei Appretur Brombach», die später einer der vier Standorte der Lauffenmühle wurde. Zeitweise arbeiteten in den Hallen über 700 Menschen und produzierten Denimstoffe, Stoffe für Mode und zuletzt Berufskleidung. Weitere Industriezweige, wie Maschinenbaufirmen folgten. Zu ihrer Unterstützung lockten die Firmen Arbeitskräfte aus dem Schwarzwald, Italien, der Steiermark oder Slowenien ans Rheinknie.
Neben den Produktionsstätten und eindrucksvollen Firmenvillen entstanden auf den Arealen Arbeitersiedlungen. Die Unternehmen wollten ihre Mitarbeitenden auch wegen der damals langen Arbeitszeiten nah an den Arbeitsstätten wohnen lassen. Diese logische Einheit von Wohnen und Arbeiten lässt das aktuell geltende Planungsrecht in Deutschland vor allem aus Emissionsschutzgründen so nicht zu. Fehlende Flächen und politische Forderungen zur Steigerung der Flächeneffizienz haben zu neuen Konzepten geführt, zum Beispiel zu Modellen, wie der «urbanen Produktion» oder dem Wachstum in die Höhe.
«Lauffenmühle – next innovation», Lörrach
Nicht offener Wettbewerb
Auslobung: Stadt Lörrach
Betreuung: schreiberplan GmbH Stadtplanung Architektur Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Jury
Markus Müller, Architekt und Stadtplaner, Stuttgart (Vors.)
Jules Beckers, Architekt, Amsterade
Dea Ecker, Architektin, Heidelberg
Prof. Dr. Ing. Annette Hafner, Architektin, Bochum
Prof. Frank Hovenbitzer, Architekt, Lörrach
Prof. Dr. Ing. Michael Koch, Architekt und Stadtplaner, Berlin
Axel Lohrer, Landschaftsarchitekt und Stadtplaner, München
Monika Neuhöfer-Avdić, Architektin und Stadtplanerin, Bürgermeisterin der Stadt Lörrach
Hubert Bernnat, Fraktion der Stadt Lörrach
Fritz Böhler, Fraktion der Stadt Lörrach
Silke Herzog, Ortsvorsteherin Brombach
Horst Simon, Ortsvorsteher Haagen
Matthias Lindemer, Fraktion der Stadt Lörrach
Ulrich Lusche, Fraktion der Stadt Lörrach
Jörg Lutz, Oberbürgermeister der Stadt Lörrach
1. Preis
ASTOC architects and planners, Köln
Henning Larsen, Überlingen
Merz Kley Partner, Dornbirn
2. Preis
urbanista, Hamburg
TREIBHAUS Landschaftsarchitektur, Hamburg
Coido architects, Hamburg
3. Preis
arc.lab Bergner Dinse Theis - Architektinnen Landschaftsarchitektin Stadtplanerin, Hannover
studiomauer, Hannover
4. Preis
Albert Wimmer, Wien
LAND Germany, Düsseldorf
Bollinger und Grohmann, Wien
Zeleny lnfrastrukturplanung, Traismauer
Rosinak & Partner ZT, Wien